Newsroom / PerspektivePraxis / Energie

Solarpaket I


Ein Beitrag von René Groß, Leiter Politik und Recht, Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV

Das Warten hat ein Ende


Bei der politischen Paneldiskussion auf unserem Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende im März dieses Jahres beschäftige das Publikum vor allem ein Thema: Wann kommt endlich das Solarpaket I? Mit konkreten Aussagen zum Thema hielten sich zum damaligen Zeitpunkt alle fünf Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf Grund laufender Verhandlungen zurück. Doch signalisierte das gesamte Panel, ungeachtet einiger unterschiedlicher Standpunkte, Einigkeit darüber, dass das Solarpaket dringend auf den Weg gebracht werden müsse und – damit einhergehend – auch der Ausbau erneuerbarer Energien gemeinsam mit den Bürger:innen eine hohe Priorität für die Bundesregierung habe. In der Diskussion mit dem Publikum zeichnete sich damals zudem ab, wie wichtig eine schnelle Umsetzung von Energy Sharing für die Genossenschaften ist. Weitere zentrale Themen waren Wärme im ländlichen Raum und eine sinnvolle Biomassestrategie.

Welche Veränderungen bringt das Solarpaket?


Etwa zwei Monate nach dem Bundeskongress haben Bundestag und Bundesrat nun das lang erwartete Solarpaket I (Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung) auf den Weg gebracht. Das Gesetzespaket soll den Bau und Betrieb von Solarstromanlagen deutlich vereinfachen und entbürokratisieren. Aber tut es das auch? Wir haben das Solarpaket gründlich unter die Lupe genommen. Hier geben wir Energiegenossenschaften einen kompakten Überblick über die für sie wichtigsten Punkte.

 

Die guten Nachrichten


Insgesamt bringt das Solarpaket I einige substanzielle Verbesserungen für den Ausbau der Solarenergie und beschleunigt auch die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen. Zudem wurden gegenüber dem Referentenentwurf Regelungen für die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung mit Solarstrom, naturschutzfachliche Mindestanforderungen bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) hinzugefügt und die Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen (WEA), zur Batteriespeicherung sowie für deutschlandweit einheitliche technische Anschlussbedingungen erleichtert. Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung erlaubt zukünftig auch die Einbindung von Stromspeichern. Als größte Verbesserung für Energiegenossenschaften und ihre Geschäftstätigkeiten kann die Erhöhung der Vergütung für mittelgroße PV-Dachanlagen betrachtet werden. Insbesondere mit Blick auf Gewerbedächer bieten sich hier in Zukunft neue, nun wirtschaftlich attraktive Möglichkeiten. Hiermit wurde auch eine jahrelange Forderung der Bundesgeschäftsstelle erfolgreich eingeführt.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung


Auch auf dem Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende wurde die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung diskutiert. Katrin Uhlig vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN machte eine der wenigen konkreten Aussagen zum Solarpaket als sie die Einführung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung als „kleines Energy Sharing“ ankündigte. Zudem waren die Vorteile und Herausforderungen des Konzepts auch Thema zwischen Daniel Fürstenwerth von Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Nicolai Ferchl (Vorstand, HEG Heidelberger Energiegenossenschaft eG) und Ringo Lottig (Vorstandsvorsitzender, Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft eG). Das Resümee fiel hierbei vorsichtig optimistisch aus. Es sei zumindest ein erster Schritt in Richtung „Energy Sharing“ und damit ein wichtiger Fortschritt für die Energiegenossenschaften. Seit dem 16. Mai 2024 ist nun das Instrument der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung gesetzlich in Kraft. Damit wird eine unkomplizierte Möglichkeit zur Eigenversorgung hinter dem Netzanschlusspunkt von mehr als einer Wohnung durch dieselbe Photovoltaikanlage geschaffen. Über die Aufteilung der Strommengen können die Haushalte frei entscheiden. Dafür soll zukünftig neben dem Stromliefervertrag ein weiterer Nutzungsvertrag abgeschlossen werden können.

Auch Stromspeicher sollen in das Konzept eingebunden werden dürfen. Eine Verbesserung gibt es zudem bei dem ähnlichen Mieterstrommodell. Mieterstrom soll in Zukunft auch auf Gewerbegebäuden und Nebenanlagen wie Garagen gefördert werden, wenn der dort erzeugte Strom sofort verbraucht wird, also ohne Netzdurchleitung. Mehrere Anlagen können zusammengefasst werden. Das vermeidet unverhältnismäßige technische Anforderungen – bislang war gerade dies in Wohnquartieren häufig ein Problem.

Bürokratieabbau


Ein weiteres Kernthema, dass die Energiegenossenschaften umtreibt und auch auf unserem Kongress mehrfach Erwähnung fand, ist die übermäßige Bürokratie. Zusammen mit der mangelnden Vereinheitlichung und Digitalisierung der Netzanschlüsse und der mangelnden Einheitlichkeit bzw. Fairness bei Netzentgelten, bildet die Bürokratie eine der größten Barrieren für den Netzausbau – darüber waren sich alle Vertreter der Energiegenossenschaften einig. Mit dem Solarpaket macht der Gesetzgeber nun einen Schritt in Richtung Bürokratieabbau: Bisher sind Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 100 Kilowatt (kW) zur Direktvermarktung verpflichtet. Das ändert sich: Die Anlagenbetreiber sollen ihre Überschussmengen künftig ohne Vergütung, aber auch ohne Direktvermarktungskosten an die Netzbetreiber weitergeben. Davon profitieren vor allem Anlagenbetreiber mit einem sehr hohen Eigenverbrauch. Die neue unbürokratische Regelung soll sie motivieren, mehr PV auf großen Dächern zu installieren.

Zudem wird mit der Beschlussfassung des Bundestags die Einspeisevergütung für gewerbliche Dach-PV-Anlagen bis 750 KW um 1,5 Cent je Kilowattstunde angehoben. Dach-PV-Projekte über 750 KW müssen sich allerdings künftig wieder an Ausschreibungen beteiligen. Im Gegenzug für die Absenkung der Ausschreibungsgrenze von zuvor einem Megawatt werden die jährlichen Ausschreibungsmengen erhöht.

Auch bei Windenergie an Land werden die Genehmigungsverfahren erleichtert. Zum einen gilt eine einjährige Verlängerung der EU-Notfallverordnung und damit von § 6 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG). Zum andern werden bestehende Windenergiegebiete als Beschleunigungsgebiete im Sinne der Erneuerbare-Energien-Richtlinie anerkannt. Beides erleichtert Genehmigungsverfahren.

Eine weitere Erleichterung bringt die Nachbesserung bei Ausnahmeregelung für Bürgerenergiegesellschaften. Für sie gibt es nun eine Ausnahme von Ausschreibungen für die Umsetzung von PV-Freiflächenanlagen und Windkraftanlagen. Durch die bestehenden Regelungen zur Anlagenzusammenfassung waren Bürgerenergie-Projekte in gewissen Fallkonstellationen weiterhin zur Ausschreibungsteilnahme verpflichtet. Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle nachgesteuert, sodass der Ausbau von Bürgerenergieprojekten und Nicht-Bürgerenergieprojekten sich nicht mehr gegenseitig blockieren.

Durchwachsenes Ergebnis bei PV-FFA


Vor allem bei der Duldungspflicht für die Verlegung von Leitungen bei PV-FFA und WEA an Land gibt es Nachbesserungsbedarf. Hier kam es entgegen dem ursprünglichen Vorschlag zu einer Verschlechterung und gilt nun nur für Flächen der öffentlichen Hand. Für neue PV-Freiflächenanlagen werden ferner fünf Naturschutz-Mindestkriterien eingeführt, von denen Betreibende mindestens drei einhalten müssen. Darunter fallen:

1. die Inanspruchnahme von höchstens 60 Prozent der Grundfläche für die PV-Module

2. ein biodiversitätsförderndes Pflegekonzept am Boden

3. eine Durchgängigkeit für Tiere

4. die Schaffung von Biotopelementen auf mindestens 10 Prozent der Anlagenfläche

5. den bodenschonenden Betrieb der Anlage (wie z.B. Verbot von Düngemitteln).

Im parlamentarischen Verfahren wurden im Gegenzug alle Regelungen zu Biodiversitätsanlagen und zum ursprünglich geplanten Bonus für extensive Agri-PV gestrichen.

Erklärtes Ziel der Bunderegierung ist es, mit dem Solarpaket insbesondere auch die Entwicklung und den Bau innovativer PV-FFA (sog. besondere PV-FFA) zu fördern. Hierfür werden Zuschlagsverfahren für diese besonderen PV-FFA angepasst. Zu den besonderen PV-FFA gehören horizontale und vertikale Agri-PV-Anlagen, Floating-PV, PV-Anlagen auf Moorgebieten und als Parkplatzüberdachungen. Das Zuschlagsverfahren ist zukünftig mehrstufig. Zuerst bezuschlagt die Bundesnetzagentur die Parkplatz-PV-Gebote, anschließend die restlichen besonderen PV-FFA-Gebote und zuletzt die restlichen PV-FFA-Gebote. Auf diese Weise haben die Parkplatz-PV-Gebote bzw. die restlichen besonderen PV-FFA-Gebote eine höhere Zuschlagswahrscheinlichkeit und können aufgrund ihrer höheren Kostenstruktur auch eher realisiert werden.

Neben den hier genannten Kernthemen gibt es zahlreiche weitere kleinteilige Regelungen im Solarpaket, wie etwa die Erleichterung bei Anlagenzertifikaten oder Balkonmodulen, oder Neuerungen bei der Biomasse. Einen ausführlichen Beitrag zu den einzelnen Punkten finden Sie hier.

Viele Fortschritte –
aber mit Nachbesserungsbedarf


Durch das Solarpaket I werden der Bau und der Betrieb von Solarstromanlagen deutlich vereinfacht und entbürokratisiert sowie die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen beschleunigt. Des Weiteren wurden gegenüber dem Entwurf des Solarpakets I aus dem August letzten Jahres viele neue Handlungsoptionen in den Bereichen Batteriespeicherung, Gemeinschaftsversorgung mit Solarstrom und technische Anschlussbedingungen geschaffen. Allerdings besteht noch Nachbesserungsbedarf – insbesondere beim Themen Energy Sharing in Deutschland. Obwohl es mit der gemeinschaftliche Gebäudeversorgung eine wirtschaftlich tragfähige Regelung zum Energy Sharing im Gebäude gibt, fehlt diese für das Energy Sharing über das öffentliche Netz. Gleiches gilt für das Thema Projektbeschränkung bei BEG-Projekten. Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften hat zur Klärung dieser beiden Punkte bereits im Juni letzten Jahres einen Vorschlag gemacht und setzt sich auch weiterhin für die schnellstmögliche Einführung von Energy Sharing in Deutschland sowie eine Streichung der Projektbeschränkung bei BEG-Projekten ein.

Folgende Artikel unseres Fachmagazins PerspektivePraxis könnten Sie auch interessieren:


Energie

Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften

Für einen zukunftsfähiges Energiesystem

Mehr
Energie

Genossenschaftliche Wärmenetze

So können sie zur Wärmewende beitragen

Mehr
Energie

Energie gemeinsam nutzen

Hürden und Chancen von Energy Sharing

Mehr