Ein Beitrag von Irmina Kaniewski, Referentin für Kommunikation, Vorstandsstab
Am 11. März war es wieder so weit: Der traditionsreiche 11. Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende fand im Haus der DZ BANK statt. Trotz turbulenter politischer Zeiten durften wir 250 Gäste aus Politik, Energiewirtschaft und dem genossenschaftlichen Verbund begrüßen. Das große Interesse war ein starkes Signal an die neue Bundesregierung, dass die Zukunft der erneuerbaren Energien – insbesondere ihre Finanzierung – in der nächsten Legislatur einen Fokus bilden muss.
Denn auch wenn aufgrund der weltpolitischen Ereignisse in den letzten Tagen die Aufmerksamkeit auf anderen Themen lag: Die Energiewende ist für Bürger:innen und Wirtschaft von größter Bedeutung und darf nicht ins Hintertreffen geraten. Dies betonte DGRV-Vorstand Jan Holthaus auch in seiner Begrüßungsrede und fügte noch weiteren wichtigen Aspekt hinzu: „Vielleicht beurteilt man die Energiewende jetzt endlich auch unter einem sicherheitspolitischen Blickwinkel. Niemand wünscht sich den Ernstfall, aber die dezentrale Energiewende ist ein aktiver Beitrag zur nationalen Sicherheit.“
DGRV-Vorstand Jan Holthaus
Umso wichtiger ist es, den Wirtschafts- und Energiefachleuten genau zu zuhören und auch den knapp 1.000 Energiegenossenschaften eine Stimme zu geben, wenn Deutschland weiter Fortschritte beim Ausbau der dezentralen und umweltfreundlichen Energieversorgung machen will. Der diesjährige Bundeskongress bot dafür eine großartige Gelegenheit.
Den Auftakt machte Dr. Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft mit dem ersten Impulsvortrag des Tages. Er startete mit einem Überblick zum Status Quo der deutschen Wirtschaft und einer Einordnung der aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen für die neue Legislatur.
„Es braucht Investitionen – sowohl staatlich als auch privat“, so der Wirtschaftsexperte. Die Politik müsse vor allem in bessere Rahmenbedingungen investieren, damit private Investitionen durch Unternehmen für sie überhaupt attraktiv werden. Die Transformation der Energiewirtschaft ist ohne investierende Unternehmen nicht vorstellbar, schließlich würden 87 Prozent der Investitionen in Deutschland von Unternehmen getätigt.
Auch die Notwendigkeit zum Bürokratieabbau hob er hervor. Dem konnte sich Dr. Henning von Stechow von Prokon Regenerative Energien eG im nächsten Impulsvortrag nur anschließen. Er brachte es wie folgt auf den Punkt: „Verfahren dauern immer noch zu lange und kosten zu viel Geld. Das macht Investitionen in Erneuerbare zu unattraktiv.“
Zusätzlich zu der finanziell und zeitlich belastenden Bürokratie identifizierte er aus der Sicht der Genossenschaften insbesondere zwei weitere Herausforderungen: die mangelnde Infrastruktur und Unsicherheit bezüglich der Kosten und Anforderungen für laufende und zukünftige EE-Projekte. Die Lösung: Mehr Investitionen – aber noch wichtiger sei ein gesetzlicher Rahmen, für einen schnellen und effizienten Netzausbau wie auch Netzbetrieb. Dabei sei allem voran mehr Flexibilität im Energiesystem wichtig, und zwar durch flexible Speicherlösungen und Laststeuerung durch intelligente Steuerungssysteme. Nur so ließe sich die Versorgungssicherheit gewährleisten.
„Neben staatlichen Investitionen, braucht es aber vor allem einen besseren gesetzlichen Rahmen, der Klarheit schafft und beschleunigte Genehmigungsverfahren. Dies hat sich auch in der Vergangenheit schon, als probates Mittel erwiesen, um private Investitionen wie von Genossenschaften, zu fördern“, so von Stechow. Hier sei man Dank der letzten Bundesregierung schon einen Riesenschritt weitergekommen und es müsse unbedingt so weitergehen.
Die Moderation der drei Impulse übernahm René Groß, Leiter Politik und Recht, Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV.
(v.l.n.r.) Philipp Godron, René Groß, Dr. Tobias Hentze, Dr. Henning von Stechow, Jan Holthaus
Die Präsentationen alle Vortragenden finden Sie hier:
Ein weiterer wichtiger Programmpunkt war die anschließende Podiumsdiskussion über die zukünftige, finanzielle Förderung von Erneuerbare-Energien-Projekten (EE-Projekten). So könnte eine Umstellung der Förderung in der neuen Legislaturperiode schon gesetzliche Realität werden. Bevor die Runde sich mit den möglichen Konsequenzen für kleine Marktakteure auseinandersetzte, stellte Philipp Godron von der Agora Energiewende einleitend die verschiedenen Überlegungen zur Umstellung der Förderung der erneuerbaren Energien vor. Ferner ordnete er diese mit Blick auf die nächste Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD ein. Sein Resümee:
Die Weiterentwicklung des aktuellen Förderrahmens zur Vermarktung von Energie sei dringend nötig. Eine Kombination aus Marktinstrumenten, wie staatlichen Absicherungsinstrumenten und Stromlieferverträgen – sogenannten Power Purchase Agreements (PPAs) – und ein produktionsunabhängiges Investitionsinstrument sei aus Sicht der Agora Energiewende ein guter Weg. Eine solche Option kann eine stärkere Marktintegration bei Erhalt eines stabilen Investitionsrahmens bieten.
Im Anschluss diskutierten Wolfram Axthelm (Geschäftsführer, BEE), Lukas Bühler, (Vorstand, EnerGeno Heilbronn-Franken eG), Philipp Godron (Programmleiter Strom, Agora Energiewende) und Bastian Olzem (Geschäftsbereichsleiter Erzeugung und Systemintegration, BDEW) moderiert von Daniel Hölder (Head of Global Policy & Markets, BayWa r.e) die verschiedenen Finanzierungsoptionen. Dabei unterschieden sich die Einschätzungen des Agora-Vertreters zum Teil sehr deutlich von denen, der anderen Podiumsgäste. Während sich der BDEW als Sprachrohr großer Energieversorger und Netzbetreiber anschließen konnte, äußerten sich BEE und EnerGeno Heilbronn-Franken eG kritisch. Aus Sicht kleiner Marktakteure, böten die vorgestellten Optionen mangelnde Chancengleichheit für kleine Marktakteure. Und seinen noch immer zu kompliziert und bürokratisch.
„Viele Energiegenossenschaften teilen die Sorge, dass in der aktuellen Diskussion, um die Ausgestaltung eines Strommarktmodells, nur große Strommarktakteure berücksichtigt werden“, so Lukas Bühler, Vorstand der EnerGeno Heilbronn-Franken eG. Es brauche aus Sicht der Energiegenossenschaften erweiterte Bürgerbeteiligungsoptionen und eine vereinfachte Direktvermarktung kleinerer Anlagen.
„Wenn mehr Markt gefordert wird, muss man uns auch in den Markt lassen“, stimmte Wolfram Axthelm vom BEE zu.
Es waren sich alle Diskussionsteilnehmer darüber einig, dass die Energiewende in Bürgerhand ein wichtiger Hebel für eine dezentrale Stromversorgung ist – auch wenn im Moment alle Akteure, auch die großen, gebraucht werden, um diese voranzutreiben.
(v.l.n.r.) Philipp Godron, Bastian Olzem, Wolfram Axthelm, Lukas Bühler, Daniel Hölder
Es bestand ebenfalls Einigkeit darüber, dass sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zu den Jahren davor bereits deutlich verbessert haben. Dennoch bremsen aus der Sicht der Genossenschaften vor allem vier Barrieren den Ausbau aus: herausfordernde Förderbedingungen für EE-Projekte, mangelnder Netzausbau, mangelndes Tempo durch übermäßige Bürokratie und mangelnde Vereinheitlichung und Digitalisierung der Netzanschlüsse.
Resümierend sprachen sich alle noch einmal vehement für einen verlässlichen und klaren zukünftigen Förderrahmen für erneuerbare Energien aus. Lukas Bühler wies dabei auf die besondere Problematik und Verantwortung der Genossenschaften hin: „Wir gehen nicht mit Risikokapital um, sondern mit den Geldern unserer Mitglieder, dafür brauchen wir Sicherheiten – dafür können wir uns nicht auf ein Modell verlassen, das selbst von der Wissenschaft nicht klar vorrechenbar ist. Wie sollen wir unseren Mitgliedern die neue EE-Förderung erklären, wenn es nicht einmal die Wissenschaft hinbekommt“, fragte der EnerGeno Heilbronn eG Vorstand.
Ein weiteres Highlight des Tages war die Rückkehr der beliebten Innovationschau nach zweijähriger Pause. Armin Komenda (Vorstand, EWS Elektrizitätswerke Schönau) moderierte das Format, in dem die Teilnehmenden ihre wegweisenden neue Ideen oder Technologien nicht nur vorstellten, sondern damit gegeneinander antraten. Diesen sechs zukunftweisenden Ideen aus der genossenschaftlichen Gruppe haben wir eine Bühne geboten:
Überbauung am Netzanschlusspunkt, Ulrike Gunnemann, Head of Storage & Hybrid Systems, BayWa r.e.
Aus PV-Strom wird Wärme, Pascal Lang, Vorstandsvorsitzender, EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG
Nach einer Publikumsabstimmung ging als Gewinner das Projekt „Aus PV-Strom wird Wärme der EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG“ hervor. Das Projekt wurde von Pascal Lang, Vorstandsvorsitzender, EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG vorgestellt. Die Innovation daran: ein Teil des Solarstroms dient zum Betrieb von Wärmepumpen für das lokale genossenschaftliche Nahwärmenetz. Ein echtes Pionierprojekt und wegweisend für die Zukunft der Sektorenkopplung.Eine weitere Besonderheit: die Feldlerche. Das Projekt hat gezeigt, das Artenschutz und Klimaschutz Hand in Hand gehen können. „Uns Projektentwicklern wird ja gerne mal unterstellt, wir hätten kein besonderes Faible für die Natur. Aber dieses Projekt widerlegt das. Nach dem Bau des Bürgersolarparks gibt es auf dem Gelände fast vier Mal mehr Feldlerchen als vorher.“ Projekte wie dieses tragen maßgeblich dazu bei, die Akzeptanz von EE-Projekten in den Umweltbehörden und unter Umweltschützer:innen zu steigern.
(v.l.n.r., v.o.n.u.) Nico Storz, Stefan Brinkmann, Richard Schaaf, Armin Komenda, Janina Messerschmidt, Jochen Scherrer, Ulrike Gunnemann, Pascal Lang, Kai Jacobsen, Dr. Arwen Colell
Das letzte Panel des Tages stand ganz im Zeichen des Internationalen Jahres der Genossenschaften. Dieses haben wir zum Anlass genommen, eine energiegenossenschaftliche Weltreise zu machen. Und weil Kooperation und Austausch das „winning recipe” der Genossenschaftsidee sind, wurde schnell klar: hier treffen sich Genossenschaftsverteter:innen und Energiewende-Spezialist:innen aus der ganzen Welt und können ungeachtet aller Unterschiede viel voneinander lernen. Denn die Herausforderungen sind weltweit ähnlich. Zu der internationale Runde durften wir folgende Gäste begrüßen:
Die Moderation übernahm Dr. Andreas Wieg, Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV.
Dr. Andreas Wieg, Leiter der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV
Camila Japp eröffnete das Panel und berichtete zum Einstieg von der Energiearmut in den ländlichen Regionen Brasiliens und davon, wie Energiegenossenschaften hier helfen können, schließlich läge gerade dort das größte Potenzial für Energie aus erneuerbaren Quellen.
„Doch auf dem Land gibt es viel Armut und es bleibt wenig Zeit dafür, ehrenamtlich Energiegenossenschaften zu gründen und zu betreiben. Das ist keine dauerhafte Lösung. Es muss eine Möglichkeit geben, die Genossenschaften wirtschaftlich zu betreiben“, so die Leiterin unseres Projektbüros in Brasilien. Das sei nur möglich, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingen stimmten, denn diese bestimmen das Geschäftsmodell.
Die Rahmenbedingen waren auch bei den andern Panel-Teilnehmern ein ausschlaggebender Faktor. Dr. Kwanghee Yeom aus Südkorea berichtete über die gestiegene Zahl an Energiegenossenschaften seit Verabschiedung des Genossenschaftsgesetzes 2011.
Das Gerüst stünde, aber es sei noch viel zu tun: „Die Erneuerbaren sind in Südkorea teuer, ohne staatliche Unterstützung sind sie noch nicht wirtschaftlich. Wir hoffen, dass durch neuen Präsidenten, wieder eine dezentrale und umweltfreundliche Energieversorgung unterstützt wird.“
(v.l.n.r.) Toni Hechtl, Camila Japp, Erik Christiansen, Dr. Kwanghee Yeom, Dr. Andreas Wieg
Besonders beeindruckend war der Bericht von Erik Christiansen aus Dänemark.
„Energiegenossenschaften spielen eine wichtige Rolle für die dänische Energiewende, vor allem Wind- und Nahwärmegenossenschaften: Ganze 50% der Nahwärmeversorgung übernehmen in Dänemark Genossenschaften.“ Dieser Erfolg sei nur möglich durch eine starke Bürgerbeteiligung und die richtigen Rahmenbedingungen. „Rahmenbedingen werden festgelegt durch den Staat, die Umsetzung erfolgt durch lokale Initiativen.“
Ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit lokaler Akteure brachte auch Toni Hechtl aus Österreich. Der Erfolg der Genossenschaft liege maßgeblich an der finanziellen Unterstützung durch die Raiffeisengruppe. Genossenschaften arbeiten hier Hand in Hand und auch der Einsatz der Mitglieder ist essenziell: „Ein starkes Ehrenamt ist bei uns ein wichtiger Pfeiler für die Genossenschaften.“
Die Präsentationen alle Vortragenden finden Sie hier:
Camila Japp, Energiegenossenschaftsexpertin des DGRV in Lateinamerika aus Brasilien
Toni Hechtl, Vorstand, Energiegenossenschaft Elsbeere Wienerwald aus Österreich
Mit diesen spannenden Einblicken in die Herausforderungen aber vor allem auch Erfolgsgeschichten der Energiegenossenschaften weltweit, kam der diesjährige Bundeskongress zum Abschluss und lieferte die perfekte Einstimmung zum anschließenden Festempfang zum Internationalen Jahr der Genossenschaften 2025.
Festempfang zum Internationalen Jahr der Genossenschaften