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Die Reform der Grundsteuer – So aufwendig wird es


Ein Beitrag von StB FBIStB Michael Schlang, LL.M. Leiter der Abteilung Steuern des DGRV


In den letzten Wochen wurde vermehrt in der Tagespresse über die in diesem Jahr anstehende Neubewertung sämtlichen privaten und betrieblichen Grundbesitzes in Deutschland berichtet. Die Neubewertung dieser rund 35 Millionen Grundstücke wird notwendig, da die bisherige Bewertungssystematik verfassungswidrig ist. Angefangen bei Wohnungsgenossenschaften bis hin zu Kredit-, Waren und Dienstleistungsgenossenschaften – jede Genossenschaft, die eine Immobilie ihr Eigen nennt, ist von der Reform betroffen und wird in die Pflicht genommen. Aber was genau kommt hierdurch in diesem Jahr auf die Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer sowie Mieterinnen und Mieter zu? Nachfolgend soll der Versuch einer Einordnung unternommen und eine Handlungsempfehlung gegeben werden.

 

Bewertung hinkt seit langem hinterher


Zum besseren Verständnis muss zunächst der Begriff des Einheitswerts erklärt werden. Der Einheitswert stellt die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Grundsteuer B dar. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. April 2018 ist die über viele Jahrzehnte praktizierte Einheitsbewertung des Grundbesitzes verfassungswidrig. Grund hierfür ist, dass der Einheitswert, der bislang nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) auf Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 in den alten Bundesländern und zum 1. Januar 1935 in den neuen Bundesländern ermittelt wurde, nicht wie vorgeschrieben regelmäßig angepasst wurde.

Der Einheitswert konnte damit nach Auffassung des BVerfG seine Funktion, den Verkehrswert eines Grundstückes annähernd wiederzugeben, bereits seit längerem nicht mehr erfüllen. Dies sah das BVerfG als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz an. Das Gericht zwang den Gesetzgeber damit im Jahr 2018 zu einer Reform des bisherigen Systems. Es ließ ihm jedoch bis zum Ablauf des Jahres 2019 Zeit, um eine neue Systematik zur Ermittlung der Einheitswerte zu schaffen. Erst ab dem Jahr 2025 wird dann die Grundsteuer auf Basis der neuen Wertermittlungen zu entrichten sein.

Neubewertung im Jahr 2022


Wie gefordert sorgte der Gesetzgeber noch kurz vor Ablauf der gesetzten Frist mit dem Grundsteuer-Reformgesetz vom 26. November 2019 für eine materiell-rechtliche Neuregelung des grundsteuerlichen Bewertungsrechts.

Bei der Ausarbeitung der Reform war der Gesetzgeber bestrebt, das aktuelle Grundsteueraufkommen in Höhe von rund 14 Milliarden Euro konstant zu halten. Umverteilungseffekte wurden hierbei bewusst in Kauf genommen. Zugleich sollte das Bewertungsverfahren vereinfacht werden und sich die Werte an marktübliche Preise annähern, um nicht erneut gegen das Grundgesetz zu verstoßen.

Der Gesetzgeber hat daher im Grundsteuer-Reformgesetz diverse Vereinfachungen umgesetzt. In einer Hauptfeststellung auf den 1. Januar 2022 sind neue Grundsteuerwerte festzustellen, die der Grundsteuer ab dem Kalenderjahr 2025 zugrunde gelegt werden.  Statt bisher 20 Parametern sind für Wohngrundstücke hierzu im Wesentlichen nur folgende wenige Angaben erforderlich: Lage des Grundstücks, Grundstücksfläche, Bodenrichtwert, Gebäudeart, Wohnfläche und Baujahr des Gebäudes. Diese Angaben übermitteln Grundstückseigentümer in einer Feststellungserklärung ihrem Finanzamt. Für sämtliche Angaben entscheidend ist dabei der Stand zum Stichtag 1. Januar 2022.

Das Konzept zur Ermittlung der Grundsteuer ist jedoch auch nach der Reform gleichgeblieben. Der Einheitswert wird ab dem Jahr 2025 durch den Grundsteuerwert ersetzt. Dieser wird mit einer Messzahl und einem Hebesatz multipliziert, den die Gemeinde festlegt, um die Grundsteuer zu ermitteln. Über den Hebesatz bleibt damit der Gemeinde Spielraum, die Grundsteuerbelastung zu justieren, sollte der Grundsteuermessbetrag höher als bislang ausfallen.


„Um Ihren Pflichten fristgerecht nachzukommen, sollten Sie frühestmöglich die notwendigen Informationen zusammentragen.“

Eigeninitiative ist gefragt


Die Finanzverwaltung wird die Grundstückseigentümer dazu auffordern, die neuen Grundsteuerwerte zwischen dem 1. Juli und dem 31. Oktober 2022 an die Finanzämter zu übermitteln. Die elektronisch abzugebenden Feststellungserklärungen können ab dem 1. Juli 2022 über die Steuer-Onlineplattform ELSTER eingereicht werden. Auch andere Softwareanbieter werden über die ERiC-Schnittstelle ebenfalls ab dem 1. Juli 2022 die Möglichkeit zur digitalen Übertragung der Erklärungen bieten.

Die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärungen der neuen Grundsteuerwerte ab dem 1. Juli 2022 nebst der Fristsetzung erfolgt Ende März 2022 durch öffentliche Bekanntmachung. Die Mehrheit der Kommunen plant, die betroffenen Bürger mit einem Schreiben über ihre Pflichten zu informieren oder hat dies bereits getan. So lag in Nordrhein-Westfalen den Grundsteuerbescheiden der Kommunen ein entsprechendes Informationsschreiben der Finanzverwaltung bei.

Kritik: Zu kurze Fristen und uneinheitliche Bewertungsmodelle


Mit der Neuregelung bürdet der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich gebotene Neuermittlung der Grundsteuerwerte auf den 1. Januar 2022 dem Steuerpflichtigen auf. Dies war auch bereits bei der Einheitswertermittlung so. Doch erscheint der Ermittlungszeitraum, in dem die neuen Steuererklärungen einzureichen sind, mit vier Monaten zu kurz. Viele Steuerpflichtige werden gezwungen sein, mittlerweile verlorene Informationen zu Ihrem Grundstück zu beschaffen. Dies benötigt Zeit. Das Bundesfinanzministerium beharrt derzeit jedoch auf der Einreichungsfrist. Bei einer verspäteten Einreichung drohen eventuelle Zwangsgelder.

Parallel hierzu liegen den Finanzämtern bereits Millionen von Datensätzen zu Bestandsgrundstücken vor, die nicht für die Neubewertung genutzt werden können, da sie nicht digitalisiert sind. Erst die neuen Datensätze sollen nun digital bei den Behörden erfasst werden. Daher ist auch ausschließlich eine elektronische Übermittlung via ELSTER möglich.

Zuletzt wird ein Teil der Bevölkerung nicht davon erfahren, dass ihm neue Pflichten obliegen, denn die Kommunen sind nicht dazu verpflichtet, die Eigentümer im Einzelnen zu informieren. Eine öffentliche Bekanntmachung genügt.

Wenn Sie eventuell mehrere Grundstücke in unterschiedlichen Bundesländern ihr Eigen nennen, könnte dies die Bewertung für Sie erschweren. Denn das Grundsteuer-Reformgesetz räumt den einzelnen Bundesländern über eine Öffnungsklausel Spielraum für die Gesetzgebung ein. Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben hiervon Gebrauch gemacht und eigene Bewertungsmodelle entwickelt. In den übrigen Bundesländern wird das Bundesmodell Anwendung finden. Schlimmstenfalls kommen auf Sie daher sechs unterschiedliche Bewertungsmodelle zu, die jedoch alle auf dem Bundesmodell basieren.

Schnelles Handeln ist gefragt


Es wird deutlich, dass die Bewertung in die Verantwortung der Steuerpflichtigen gelegt wurde. Überdies droht Ungemach bei einer verspäteten Einreichung. Um Ihren Pflichten fristgerecht nachkommen zu können, sollten Sie frühestmöglich die notwendigen Informationen zu Ihrem Grundbesitz zusammentragen. Hierzu zählen z. B. die Grunddaten wie das Einheitswert-Aktenzeichen, Gemarkung, Flur und Flurstück, aber auch Angaben zu Bau- und Sanierungsjahren, zum Bodenrichtwert und der Wohn- oder Nutzfläche.

Die Steuerberaterzunft wird nicht nur aufgrund der anstehenden Neubewertung im Jahr 2022 kein Sommerloch verspüren. Traut man sich die Bewertung in Eigenleistung nicht zu oder bleibt der Arbeitsaufwand schlicht zu hoch, bleibt anzuraten, sich kurzfristig mit seinem Steuerberater in Verbindung zu setzen, um das weitere Vorgehen gemeinsam abzustimmen.

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