Ein Beitrag von StB Markus Weiser, Diplom-Finanzwirt (FH), stellvertretender Abteilungsleiter Steuern beim DGRV
Die erweiterte Grundstückskürzung für die Gewerbesteuer gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG ist seit jeher eine mit Bedacht anzuwendende Vorschrift, da es aufgrund des gesetzlich verankerten Ausschließlichkeitsgebots heißt: „Alles oder nichts“. Einzelne – wenn auch nur kleine – Abweichungen von diesem Gebot können schnell die gesamte Kürzung gefährden. Auch die durch Genossenschaften zum Zwecke der Immobilienverwaltung häufig gegründeten Tochterkapitalgesellschaften können beispielsweise in den Genuss der Vorschrift kommen, sofern sie unabhängig von ihrer Rechtsform ausschließlich rein vermögensverwaltend tätig werden.
Auf Antrag kann der Gewerbeertrag, der auf die Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz entfällt, gekürzt werden. Die Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens sind zwar nicht von der Kürzung umfasst, stehen der Kürzung jedoch auch nicht entgegen, sind also „unschädlich“. Daneben beinhaltet die Reglung noch weitere Besonderheiten, bei denen Vorsicht geboten ist, insbesondere müssen „schädliche“ Tätigkeiten vermieden werden und der Grundbesitz darf nicht dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dienen.
Der Bereich der unschädlichen Betätigungsfelder wurde durch den Gesetzgeber im Zuge des Fondsstandortgesetzes (FoStoG) vom 3. Juni 2021 erweitert. Hierdurch sollen erneuerbare Energien und Elektromobilität im Gebäudesektor gefördert werden, sodass die angestrebten Klimaziele erreicht werden können. Die Finanzverwaltung hat sich nun am 17. Juni 2022 zu damit verbundenen Zweifelsfragen im Rahmen eines gleichlautenden Erlasses der obersten Finanzbehörden der Länder geäußert.
Durch das FoStoG wurde die erweiterte Grundstückskürzung für Erhebungszeiträume ab 2021 um neue – zwar nicht begünstigte, aber zumindest kürzungsunschädliche – Tätigkeiten ergänzt. Hintergrund ist der politische Wille, die Förderung von erneuerbaren Energien sowie der Elektromobilität nicht auszubremsen.
Daher werden ab 2021 ebenfalls die in Verbindung mit der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes stehenden Einnahmen
• aus der Lieferung von Strom aus Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nr. 21 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG),
• aus der Lieferung von Strom aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder sowie
• aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes aus anderen als den vorgenannten Tätigkeitenals unschädlich für die im Übrigen durchgeführte erweiterte Grundstückskürzung angesehen.
Im Unterschied zur Verwaltung und Nutzung eigenen Kapitalvermögens funktioniert dies jedoch nur bis zu gesetzlich neu geschaffenen prozentualen Höchstgrenzen. So dürfen die Einnahmen aus den genannten Stromlieferungen zehn Prozent sowie die Einnahmen aus den übrigen Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes fünf Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes nicht übersteigen. Andernfalls wäre die erweiterte Grundstückskürzung gefährdet.
Die Lieferungen von Strom aus Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien dürfen darüber hinaus nicht an Letztverbraucher erfolgen, die nicht zugleich Grundstücksmieter des Anlagenbetreibers sind. Die Abgabe von Strom aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Elektrofahrräder ist dagegen nicht auf die eigenen Mieter beschränkt.
Unter die fünfprozentige Auffangvorschrift der übrigen Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes ist auch die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen zu fassen. Bislang gilt hier eine Null-Toleranz-Grenze der Finanzverwaltung, es sei denn die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen stellt einen zwingend notwendigen Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Überlassung des Grundbesitzes dar und hat einen lediglich geringfügigen Umfang (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2020 – IV R 4/19). Der zu führende Nachweis kann sich in der Praxis jedoch äußerst schwierig gestalten.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft weiterhin der erweiterten Grundstückskürzung auf Ebene des Gesellschafters entgegensteht und insofern keine gesetzliche Entschärfung in das geänderte Gesetz aufgenommen wurde.
Mit gleichlautendem Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 17. Juni 2022 hat sich nun die Finanzverwaltung geäußert, um noch offene Zweifelsfragen zur erweiterten Kürzung zu klären.
1. Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nr. 21 EEG
Durch den Verweis auf § 3 Nr. 21 EEG gehört die Lieferung von Strom, der in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) erzeugt wurde, nicht automatisch zur Liste der unschädlichen Tätigkeiten. Diese Stromlieferungen sind laut Auffassung der Finanzverwaltung nur begünstigt, sofern das BHKW ausschließlich durch Biomasse betrieben wird. Falls der BHKW-Strom aufgrund eines unmittelbaren Vertragsverhältnisses mit dem Mieter des Grundbesitzes an diesen abgegeben wird, könnten die resultierenden Einnahmen allerdings mit in die Fünf-Prozent-Grenze einbezogen werden (zusammen mit den Einnahmen aus der Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen etc.). Dabei ist es nicht erforderlich, dass das BHKW auf dem gleichen Grundstück betrieben wird, welches an die Mieter überlassen wird.
Die Anlagen zur Erzeugung des gelieferten Stroms müssen laut Finanzverwaltung nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen, sondern können wiederum geleast oder gemietet sein. Dieser Standpunkt geht über den reinen Gesetzeswortlaut hinaus und eröffnet mehr
Spielraum für Sachverhaltskonstellationen in der Praxis. Zu beachten ist: Der Grundbesitz selbst muss nach wie vor im Eigentum des die erweiterte Grundstückskürzung begehrenden Steuersubjekts stehen.
Das Gesetz schließt Stromlieferungen an Letztverbraucher aus, die aus Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nr. 21 EEG stammen. Unter Letztverbrauchern sind sowohl natürliche als auch juristische Personen zu verstehen, welche den Strom verbrauchen. Sofern der erzeugte Strom an die eigenen Mieter abgegeben und durch diese verbraucht wird, ist dies unkritisch. Lieferungen von Stromüberschüssen an Stadtwerke, die ihrerseits den Strom an ihre Kunden als Letztverbraucher liefern, sind laut Finanzverwaltung ebenfalls unschädlich. Die Finanzverwaltung vertritt außerdem die erfreuliche Auffassung, dass neben dem selbst produzierten Strom auch zugekaufter und an die eigenen Mieter abgegebener Strom im Rahmen der Zehn-Prozent-Grenze unschädlich für die erweiterte Grundstückskürzung ist. Gerade bei erneuerbaren Energien, die wetterbedingten Schwankungen unterliegen können, ist ein Zukauf von Strom unerlässlich. Der Eigenverbrauch von selbsterzeugtem Strom ist generell unkritisch, allerdings wird seitens der Finanzverwaltung der zunächst in das Stromnetz eingespeiste und daraufhin wieder zur Eigennutzung bezogene Strom als nicht begünstigt angesehen.
2. Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder
In Bezug auf die Lieferung von Strom aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Elektrofahrräder stellt die Finanzverwaltung klar, dass sowohl Einnahmen aus der Überlassung der Ladestation selbst als auch aus der Lieferung des selbstproduzierten oder zugekauften Stroms der erweiterten Gewerbesteuerkürzung – im Rahmen der Zehn-Prozent-Höchstgrenze – nicht entgegenstehen. Allerdings muss die Stromlieferung formal gesehen durch Grundstücksunternehmen selbst erfolgen und darf nicht unmittelbar von Dritten (z.B. Stadtwerken) dem Ladesäulennutzer zur Verfügung gestellt werden. Möglich wäre allerdings, die reine Ladesäulen-Aufstellfläche zu überlassen, sodass sowohl die Ladestation selbst als auch der gelieferte Strom von Dritten (z.B. Stadtwerken) bereitgestellt werden. Da der Strom im Zusammenhang mit Ladestationen auch an Letztverbraucher abgegeben werden kann, sollte es auch möglich sein, dass Kunden oder Arbeitnehmer des Mieters seitens des Grundstücksunternehmens beliefert werden.
3. Unmittelbare Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes
Unter die Fünf-Prozent-Höchstgrenze für unmittelbare Vertragsbeziehungen zu den Mietern des Grundstücksunternehmens subsumiert die Finanzverwaltung, neben der unter Punkt 1. bereits erwähnten Überlassung von BHKW-Strom an die Mieter, ebenfalls die Überlassung von eigens angemietetem und nicht im Eigentum stehenden Grundbesitz. Dies eröffnet den Unternehmen in der Praxis – wenn auch in geringem Umfang – gewisse Freiheiten.
4. Ermittlung der Höchstgrenzen
Zur Ermittlung der gesetzlich verankerten prozentualen Höchstgrenzen kommt es für die Finanzverwaltung auf die vereinbarte Netto-Warmmiete an. Mietausfälle wären somit irrelevant; echte Leerstände würden die Unschädlichkeitsschwelle jedoch verschlechtern und die Nichtüberschreitung der Höchstgrenzen sollte in diesen Fällen laufend überwacht werden. Zu beachten ist: Im Falle einer ertragsteuerlichen Organschaft sind die Höchstgrenzen auf Ebene jedes zum Organkreis gehörenden Unternehmens gesondert zu prüfen.
Die Frage nach der Unschädlichkeit von Einnahmen aus der Veräußerung der in die Zehn-Prozent- beziehungsweise Fünf-Prozent-Grenze einzubeziehenden Anlagen wurde durch das FoStoG nicht explizit geregelt. Die Finanzverwaltung vertritt insofern die begrüßenswerte Auffassung, dass die Veräußerung solcher Anlagen den letzten Akt der unschädlichen Tätigkeit darstellt und insofern der erweiterten Grundstückskürzung vom Grunde her nicht entgegensteht. Die diesbezüglichen Einnahmen müssen jedoch im Rahmen der Höchstbeträge eingerechnet werden. Dies könnte im Jahr der Veräußerung zusammen mit den übrigen Einnahmen zur Überschreitung der zulässigen Höchstgrenze führen, sodass die erweiterte Grundstückskürzung insgesamt gefährdet sein kann. Die Qualifizierung des Veräußerungserlöses der eigentlichen Immobilie zu den Einnahmen aus der Grundstücksüberlassung im Rahmen der Quotenberechnung wäre insofern hilfreich, ist jedoch weder seitens des Gesetzgebers noch seitens der Finanzverwaltung vorgesehen.
Die Änderungen des Gesetzgebers und die Klarstellungen durch die Finanzverwaltung sind vor dem Hintergrund der bevorstehenden Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel grundsätzlich begrüßenswert.
Leider wurden die neu ins Gesetz aufgenommenen Tätigkeiten nicht generell als rein vermögensverwaltend qualifiziert und hierdurch von der Gewerbesteuer freigestellt. Der Gesetzgeber hat diese Tätigkeiten lediglich als gewerbesteuerlich unschädlich für die erweiterte Grundstückskürzung eingestuft. Weiterhin sind verschiedene prozentuale Höchstgrenzen zu prüfen. Dies verursacht in der Praxis von Grundstücksunternehmen einen zusätzlichen Überwachungsaufwand und letztlich ein Restrisiko, dass die erweiterte Grundstückskürzung versagt werden könnte. Auch wenn die Finanzverwaltung hierzu ergänzend nützliche Klarstellungen vorgenommen hat, bleibt das Gesamtergebnis unzufriedenstellend.
Darüber hinaus ist bei der Inanspruchnahme der erweiterten Grundstückskürzung diverse jüngere BFH-Rechtsprechung zu beachten, insbesondere zu den Themen der Betriebsaufspaltung (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2021 – IV R 7/18) und dem unterjährigen Erwerb von Grundbesitz (vgl. BFH Beschluss vom 27. Oktober 2021 – III R 7/19), wodurch die Handhabung der Reglung zusätzlich erschwert wird.