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Genossenschaftsgründungen 2024


Ein Beitrag von Benjamin Dannemann, Referent für Kommunikation, Vorstandsstab


Das Geschäftsklima in Deutschland war in den letzten Jahren auf dem Tiefstand. Aufgrund der hohen Energiepreise und der steigenden Inflation ist die Konsumlaune zurückhaltend. Doch nicht nur bestehende Unternehmen haben mit steigenden Kosten, fehlender Nachfrage und dazu noch überbordender Bürokratie zu kämpfen. Auch die Bereitschaft zur Unternehmensgründung fällt zunehmend geringer aus. So spricht der DIHK-Report Unternehmensgründung 2024 von einem weiter sinkenden Gründungsinteresse und gibt dem „Gründungsstandort Deutschland“ keine gute Note. Doch demgegenüber zeigt sich bei den Genossenschaftsgründungen über die letzten zehn Jahre eine gewisse Stabilisierung.

„Jammertal“ durchschritten


Im Jahr 2024 wurden unter dem Dach des DGRV 125 neue Genossenschaften gegründet. Wenn man die Entwicklung der Jahre von 2014 bis 2024 betrachtet, kann man einen stetigen Rückgang der Gründungen bis 2018 und dann einen erneuten Anstieg sehen. Dieses kleine Jammertal rund um 2018 ist eng an die Gründung von Energiegenossenschaften geknüpft. 2018 lag die Zahl der Gründung von Energiegenossenschaften bei gerade einmal 14, während 2014 noch 54 Energiegenossenschaften gegründet wurden.

Der bereits 2021 deutlich werdende Trend zu vermehrten Gründungen neuer Genossenschaften im Bereich Energie setzt sich auch 2024 fort. Allerdings ist im Vergleich zu 2023 wieder ein Rückgang von immerhin 25 Prozent festzustellen. Insgesamt 64 Energiegenossenschaften wurden 2024 gegründet, während es 2023 noch 88 waren. Mit Blick auf die Entwicklung der letzten zehn Jahre sind diese Zahlen allerdings nicht zu negativ zu bewerten. Ob sich mit dem Rückgang der Gründungszahlen ein erneuter Abschwung abzeichnet, wird gerade bei den Energiegenossenschaften von den Rahmenbedingungen der neuen Bundesregierung abhängen.

Warum sind Energiegenossenschaften wieder gefragt?


Betrachtet man die letzten zehn Jahre, so lassen sich die Auswirkungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen auf die Gründung von Energiegenossenschaften klar ablesen. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2017 wurden die Ausschreibungen für Erneuerbare-Energien-Anlagen weiter ausgeweitet. Gerade für Gründungsinitiativen, die meist mit einer ersten mittelgroßen Solarstromanlage starten, drohte mit der Ausweitung der Ausschreibung ein kompliziertes Verfahren, welches abschreckend wirkte. Auch betriebswirtschaftlich ließ sich das Risiko einer erfolglosen Teilnahme nicht so einfach auffangen.

Obwohl das EEG 2021 und das EEG 2023 wieder leichte Verbesserungen für Energiegenossenschaften vorsahen, lässt sich der enorme Anstieg an Gründungen 2023 nicht mit den Regelungen im Strommarkt, sondern insbesondere mit den Entwicklungen im Wärmemarkt erklären. Durch die nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine steigenden Gaspreise, suchen viele Haushalte nach sicheren und unabhängigen Alternativen. Genossenschaftliche Wärmenetze, wie etwa das Wärmenetz in Dornhausen, bieten eine erprobte Möglichkeit, um die Wärmeversorgung aus lokalen Quellen, wie Biogas, Holzhackschnitzeln oder anderen regenerativen Wärmequellen selbst in die Hand zu nehmen.

In welchen Branchen werden Genossenschaften außerdem gegründet?


Neben den Energiegenossenschaften, die den Großteil der Gründungen ausmachen, wurden 2024 auch Genossenschaften in anderen Branchen gegründet. Diese kommen zusammen auf 61 Gründungen. Vor allem Genossenschaften zur regionalen Entwicklung waren vielfach dabei. So werden immer wieder Dorfgasthäuser oder andere soziale Treffpunkte von Genossenschaften renoviert und übernommen. Ein bekanntes Beispiel der letzten Jahre Bahnhof in Leutkirch, der neben der Gastronomie auch Räume für regionales Gewerbe bietet. Der ländliche Raum ist auch ein Schwerpunkt bei der Gründung von kleinen Läden zur Versorgung vor Ort. Mit den Dorfläden nehmen die Menschen das fehlende Angebot in die eigene Hand, wie etwa in Schweighausen.

Neben dem ländlichen Raum bietet das Genossenschaftsmodell gerade auch mittelständischen Unternehmen oder freiberuflich Tätigen eine gute Möglichkeit zur gemeinsamen Vermarktung, Leistungserstellung oder dem gemeinschaftlichen Einkauf. Genossenschaftliche Mehrwegsysteme vereinen das gemeinsame Interesse einer Branche, Flaschen oder Verpackungen wiederzuverwenden. Und dies kann auch in außergewöhnlichen Bereichen erfolgen, wie etwa beim Mehrwegsystem für Pflanzentrays. Die genossenschaftlichen Gründungsinitiativen zeigen also eine außerordentliche Vielfalt.

Wo finden Gründungsinitiativen Unterstützung?


Die Gründung eines Unternehmens ist immer eine Herausforderung. Doch eine genossenschaftliche Gründung erfordert zusätzliche Anstrengungen bei der Abstimmung unter den Gründerinnen und Gründern. Hier setzt nicht eine einzelne Person ihre Idee in die Tat um, sondern es erfolgt eine gemeinschaftliche Entwicklung der Unternehmensziele und des Betriebs. Hierfür ist eine gemeinsame Abstimmung wichtig. Der DGRV bietet zusammen mit den regionalen Prüfungsverbänden für die Entwicklung eines Geschäftsmodells die Gründungsplattform www.genossenschaften.de an.

Die Gründungsplattform umfasst neben vielen Beispielen von Genossenschaften auch einen GenoCanvas. Angelehnt an einen Business Model Canvas bietet dieser den Gründungsinitiativen die Möglichkeit, neben den Fragen nach Schlüsselaktivitäten, Schlüsselressourcen oder dem Vertrieb auch die Möglichkeit, die Mitgliederförderung der Genossenschaft zu entwickeln. Dieser kann dann zu einem Geschäftsplan weiterentwickelt werden. Außerdem bietet die Gründungsplattform noch einen Satzungsgenerator, der es ermöglicht, eine Mustersatzung auf das eigenen Gründungsvorhaben anzupassen sowie ein Tool für den Businessplan.

Ausblick


Damit die Motivation zur Unternehmensgründung wieder gesteigert wird, braucht es einen erheblichen Abbau an unverhältnismäßigen Vorschriften und Bürokratie. Gleichzeitig darf der notwendige Bürokratieabbau nicht in der Weise missverstanden werden, dass wichtige Kontrollmechanismen aufgeweicht werden. Gerade bei Genossenschaften geht es um den Schutz der Mitglieder und eine nachhaltige Unternehmensentwicklung. Daher bleibt die Prüfung ein zentraler Bestandteil eines gesunden genossenschaftlichen Ökosystems. Die Dynamik bei der Genossenschaftsgründung hängt insbesondere auch von den spezifischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Marktsituation ab – wie dies momentan bei den Energiegenossenschaften der Fall ist.

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