Ein Beitrag von Irmina Kaniewski, Referentin für Kommunikation, Vorstandsstab beim DGRV
Festempfang zum Internationalen Jahr der Genossenschaften, DGRV-Vorstand Jan Holthaus (links), Axel Gedaschko Präsident des GdW (rechts)
In diesem Jahr feiern Menschen auf allen Kontinenten das Internationale Jahr der Genossenschaften. Die Vereinten Nationen haben 2025 als Ehrenjahr der Genossenschaften ausgerufen. Unter dem Motto „Cooperatives Build a Better World“ soll auf die weltweite Bedeutung von Genossenschaften für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in vielen Ländern der Welt hingewiesen werden. Die Vereinten Nationen unterstreichen dabei die besondere Leistung von Genossenschaften zur Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. In Deutschland wurde das Aktionsjahr mit dem Festempfang zum Internationalen Jahr der Genossenschaften am 11. März vom DGRV offiziell eingeläutet.
Zu Wort kam auch Ariel Guarco, Präsident der International Cooperative Alliance, der sich mit einem Video an die Gäste richtet. Darin brachte er die Bedeutung von Genossenschaften – gerade in diesen politisch wie gesellschaftlich turbulenten Zeiten – auf den Punkt: „Genossenschaften stehen für Integration, gemeinschaftlichen Erfolg und faires Miteinander. In einer Welt, in der zunehmend auf Abgrenzung, Deals und individuelle Vorteile gesetzt wird, ist das die stärkste Botschaft, die wir Genossenschaften an die Öffentlichkeit und an die Politik richten können.“
Ariel Guarco, Präsident der International Cooperative Alliance
Solidarität, Gemeinsinn und Nachhaltigkeit sind feste Bestandteile der genossenschaftlichen DNA und insbesondere in Anbetracht der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung ein wichtiger Hebel, um die wirtschaftliche und soziale Lage vieler Menschen in Deutschland und weltweit zu verbessern. Sie fördern zum Beispiel regionales Unternehmertum, ermöglichen den Zugang zu Märkten und bekämpfen weltweit Armut und soziale Ausgrenzung.
Abschließend appellierte Guarco an die anwesenden Genossenschaftsvertreter: „Lassen Sie uns gemeinsam das Internationale Jahr der Genossenschaften nutzen, um unsere Botschaft weltweit zu verbreiten. Wir sind eine starke Gemeinschaft – und nur gemeinsam gestalten wir eine bessere Welt.“
Die 17 „Sustainable Development Goals“ wurden im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen im Rahmen ihrer „2030 – Agenda für nachhaltige Entwicklung“ verabschiedet. Globale Probleme wie Armut, Hunger, Ungleichheiten, mangelnde Bildung und die Benachteiligung von Frauen und Jugendlichen sollen durch nachhaltiges Wirtschaften und ressourcenschonendes Leben überwunden werden. Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele sind dabei als eine Leitlinie für politische Entscheidungen auf nationaler Ebene wie auch für die internationale Zusammenarbeit zu sehen.
Genossenschaften basieren auf Werten wie Partnerschaftlichkeit, Solidarität und demokratische Mitbestimmung. Die genossenschaftlichen Grundprinzipien der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung sind geschaffen für die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele. Die Genossenschaftsidee ist auch deshalb im Jahr 2016 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt worden.
So groß die Bandbreite der Genossenschaften, so vielfältig ist auch ihr Beitrag zur Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele. Dafür lassen sich viele Beispiele finden.
Landwirtschaftliche Genossenschaften spielen weltweit eine wichtige Rolle in der Nahrungsversorgung und bekämpfen Hunger. Sie verbessern die Ernährungssicherheit und stärken insbesondere kleinere landwirtschaftliche Betriebe. Sie leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Armut. Sie erhöhen das Einkommen der zumeist kleineren Mitgliedsbetriebe und erschließen für sie zusätzliche Einkommensquellen. Zudem schaffen sie Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen. Insoweit zahlt diese genossenschaftliche Gruppe vor allem in die Nachhaltigkeitsziele Nummer 1 „Keine Armut“ und Nummer 2 „Kein Hunger“ ein.
DGRV-Workshop zu Genossenschaften in Kamerun
Energiegenossenschaften hingegen leisten einen wichtigen Beitrag zum Nachhaltigkeitsziel Nummer 7 „Bezahlbare und saubere Energie“. Energiegenossenschaften beteiligen die Menschen aktiv an der Energiewende. Die Bürgerbeteiligung ist sehr wichtig für die Akzeptanz erneuerbarer Energien. Als regionale Energieversorger stellen sie bezahlbare und saubere Energie bereit.
Genossenschaftsbanken leisten weltweit als Finanzierungspartner des Mittelstands einen wichtigen Beitrag für die regionale Wirtschaft. Durch die flächendeckende Bereitstellung von Finanzdienstleistungen fördern sie Wirtschaftswachstum und bieten stabile Arbeitsplätze auch in ländlichen oder strukturschwachen Regionen. Damit tragen sie maßgeblich zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziel Nummer 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ bei.
Wohnungsgenossenschaften stellen bezahlbaren Wohnraum insbesondere in städtischen Ballungsgebieten bereit. Wohnungsgenossenschaften leisten durch ihre Investitionen in energieeffiziente Wohngebäude und den Ausbau der erneuerbaren Energien einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Damit tragen fördern sie direkt die Nachhaltigkeitsziele Nummer 11 „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ und Nummer 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“.
Die weltweite Verbreitung der Genossenschaftsidee ist auch von den deutschen Genossenschaftsgründern Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch inspiriert worden. Die beiden Genossenschaftspioniere haben vor 170 Jahren die ersten Rohstoffassoziationen und Darlehenskassenvereine für Not leidende Menschen in der Landwirtschaft und im Handwerk gegründet. Zur gleichen Zeit entstanden auch in anderen Ländern Europas und der ganzen Welt erste Genossenschaften. Heute sind Genossenschaften auf allen Kontinenten beheimatet.
Genossenschaften sind rund um den Globus verbreitet: Weltweit gibt es rund drei Millionen genossenschaftliche Unternehmen. Sie stellen 280 Millionen Arbeitsplätze bereit. Eine Milliarde Menschen sind Mitglied in einer Genossenschaft.
Genossenschaften sind in vielen Ländern das Rückgrat der mittelständischen Wirtschaft. Beispielsweise in Brasilien. Unter den 4.700 Genossenschaften sind – wie bei uns in Deutschland – Kreditgenossenschaften, landwirtschaftliche Genossenschaften und Genossenschaften im Handwerk zu finden. Bemerkenswert ist die hohe Anzahl an Genossenschaften im Gesundheitswesen. Die 720 Ärztegenossenschaften bieten gemeinsam ihren Patienten Gesundheitsdienstleistungen an.
Der genossenschaftliche Finanzsektor spielt auch in Afrika eine wichtige Rolle. In Uganda gibt es beispielsweise 24.000 Spar- und Kreditgenossenschaften, die viele Menschen vor allem in ländlichen Gebieten mit Finanzdienstleistungen versorgen. Für Privatpersonen und kleine Unternehmen sind sie oft der einzige Zugang zum Kapitalmarkt. Sie sind damit ein Eckpfeiler für die wirtschaftliche Entwicklung in den ländlichen Regionen des ostafrikanischen Landes.
Japan hat eine lange genossenschaftliche Tradition und das Genossenschaftswesen ist stark in Wirtschaft und Gesellschaft verbreitet. Von den rund 41.100 Genossenschaften sind rund 35.000 als Kooperationen des Mittelstands für Einkauf, Produktion oder Absatz tätig. Das Land hat aber auch andere starke Branchen wie z.B. die 1.800 Fischereigenossenschaften oder die 1.160 landwirtschaftlichen Genossenschaften.
Genossenschaften sind auch auf dem fünften Kontinent Australien in vielen Wirtschaftszweigen vertreten. Ob Bankwesen, Krankenkassen oder Agribusiness, die über 1.800 australischen Genossenschaften sind überall zu finden. Zusammen mit ihren angeschlossenen Mitgliedsunternehmen schaffen sie insgesamt rund 167.000 sichere und nachhaltige Arbeitsplätze.
Mitglieder der vom DGRV-Projekt Mosambik geförderten Cooperativa de Serviços Técnicos (Genossenschaft für technische Dienste) während einer Messe für Unternehmer:innentum
Diese beeindruckende weltweite Verbreitung der Genossenschaften macht deutlich, wie erfolgreich das gemeinschaftliche Wirtschaften überall auf dem Globus ist. Die genossenschaftliche Idee bringt gerade heutzutage vermutlich noch größeres Potenzial mit, bestimmte Probleme in benachteiligten Regionen der Welt zu lösen, als vielen Menschen bewusst ist. Insbesondere mit Blick auf globale politische Zusammenhänge, bilden sie einen wichtigen Hebel für die positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Ländern des globalen Südens. Einen Eindruck davon vermitteln auch die mehr als 30 genossenschaftlichen Entwicklungsprojekte des DGRV. Im Rahmen dieser werden Genossenschaften und ihre Netzwerke in Lateinamerika, Afrika oder Asien gefördert beziehungsweise aufgebaut, um die Armut in diesen Regionen zu verringern und soziale und wirtschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und somit letztlich einen Beitrag zur Friedenssicherung zu leisten.
Mehr spannende Einblicke in die Vielfalt der Genossenschaften in Europa und weltweit, unserer Entwicklungszusammenarbeit und Informationen rund um das Genossenschaftsjahr finden sich auf unserem Infoportal.