Ein Beitrag von Dr. Andreas Wieg, Abteilungsleiter Vorstandsstab beim DGRV
Die Anzahl der Genossenschaftsgründungen folgt weiterhin einem positiven Trend. Für die weitere Entwicklung sind einmal mehr die rechtlichen Rahmenbedingungen und öffentlichen Fördermöglichkeiten von großer Bedeutung. Aktuelle politische Entscheidungen könnten hierbei eine richtungsweisende Rolle spielen.
Zur Jahreshälfte 2024 wurden unter dem Dach des DGRV 65 neue Genossenschaften registriert. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Gesamtzahlen auf demselben Niveau gehalten ‒ seinerzeit wurden zum gleichen Zeitpunkt 64 neue Genossenschaften aufgenommen. Deutlicher Trendsetter sind nach wie vor die Energiegenossenschaften mit 37 Gründungen.
Die meisten Energiegenossenschaften werden zur Wärmeversorgung gegründet. Konkret geht es dabei um den Betrieb eines gemeinsamen Nahwärmenetzes über die Genossenschaft. Eine individuelle Heizung im eigenen Heim wird dadurch überflüssig.
Momentan gibt es rund 220 dieser Wärmenetzgenossenschaften, die vor allem in ländlichen Regionen ihre Mitglieder versorgen. Sie werden ehrenamtlich geführt und vor allem in solchen Situationen gegründet, in denen eine alternative Wärmeversorgung etwa durch ein örtliches Stadtwerk nicht gewährleistet werden kann. Richtungsweisend für das weitere genossenschaftliche Gründungsgeschehen in diesem Bereich wird die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung sein. Sie wurde von der Bundespolitik Anfang dieses Jahres verpflichtend eingeführt.
Mit dem Wärmeplanungsgesetz wurde die Vorgabe erteilt, dass die rund 11.000 Kommunen in Deutschland bis spätestens Mitte des Jahres 2028 eine Wärmeplanung haben müssen. In größeren Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern soll diese Planung bereits bis zum 30. Juni 2026 vorliegen.
Zweck dieser Pläne: Die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sollen eine Orientierung vor Ort erhalten, ob sie mit einem Fernwärmeanschluss rechnen können oder sich für eine andere klimafreundliche Heizungsoption entscheiden sollten. Eine dieser Heizungsoptionen könnte eine Wärmenetzgenossenschaft sein. Insoweit ist mit einer erhöhten Aufmerksamkeit zu rechnen. Doch dies wird nicht zwangsläufig zu mehr Genossenschaftsgründungen führen.
Ein Grund sind die bürokratischen Lasten beim Betrieb eines Wärmeversorgungsunternehmens, die derzeit auch von kleinen, ehrenamtlich betriebenen Wärmenetzgenossenschaften komplett getragen werden müssen. Es wird insoweit viel davon abhängen, inwieweit beispielsweise im Rahmen der aktuell diskutierten AVBFernwärme-Verordnung des Bundeswirtschaftsministeriums kleinere Akteure von bürokratischen Anforderungen entlastet werden.
Ein anderer Bremsklotz ist die Finanzierung solcher Wärmenetzprojekte ‒ insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Netzinfrastruktur von Banken als Kreditsicherheit im Rahmen der Finanzierung anerkannt wird. Eine Lösung wäre für diese Fragestellung ein bundesweites Bürgschaftsprogramm, das unkompliziert über die Investitionsbanken der Länder ausgereicht werden könnte. Leider ist dieses Programm noch nicht in Sicht.
Mit dem am 4. Juli 2024 vom Bundesjustizministerium vorgelegten Referentenentwurf zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform sind Regelungen vorgesehen, die die Attraktivität der genossenschaftlichen Rechtsform verbessern sollen. Diese Neuregelungen könnten ebenfalls eine Wirkung auf die Gründung von Genossenschaften haben ‒ insbesondere auf die Geschwindigkeit des Gründungsprozesses. Beispielhaft sei hier auf die geplanten zukünftigen Fristen für die Registergerichte hingewiesen, wenn diese (Gründungs-)Eintragungen vornehmen sollen.
Eine andere geplante Neuregelung betrifft den Kern der genossenschaftlichen Rechtsform. Paragraf 1 des Genossenschaftsgesetzes soll zukünftig auch die „mittelbare“ Förderung der Mitglieder beinhalten. Diese juristische Klarstellung ist beispielsweise für Energiegenossenschaften wichtig, die sich ausschließlich an Windenergieanlagen beteiligen möchten. Das Gründungs- und Wachstumspotenzial für diese genossenschaftliche Gruppe würde mit einer solchen Regelung deutlich verbessert werden.
Mit dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz vom 26. September 2024 wurde vom Gesetzgeber zudem bereits die Möglichkeit des digitalen Beitritts umgesetzt – neben etlichen weiteren Maßnahmen zur Ersetzung der Schrift- durch die Textform. Prinzipiell wurde damit der Weg für rein digitale Genossenschaftsgründungen geebnet. Die Zukunft wird zeigen, ob diese Digitalisierung den eigentlichen Gründungsprozess verkürzen wird.
Ein dritter potenzieller Impuls für das Gründungsgeschehen wurde vom Bundeswirtschaftsministerium gesetzt. Mit dem neuen Förderprogramm „Nachhaltig wirken – Förderung Gemeinwohlorientierter Unternehmen“ möchte das Ministerium gemeinwohlorientierte Unternehmen stärken und deren Gründung anreizen.
Kern der Förderung ist die Professionalisierung und Kompetenzerweiterung gemeinwohlorientierter KMUs. Zudem soll deren Vernetzung untereinander gefördert werden. Das Programm knüpft an das Vorgängerprogramm „REACT with impact“ an. Eine erste Antragsrunde zur Förderung wurde im September 2024 durchgeführt.
Besonders interessant: Neben der direkten Förderung von Unternehmen werden auch Multiplikatoren für übergreifende Unterstützungs- und Informationsmaßnahmen für gemeinwohlorientiertes Unternehmertum gefördert. Insoweit steht das Programm beispielsweise auch für Verbände offen.
Ein möglicher direkter Gründungsimpuls aus dieser Förderinitiative für Genossenschaften ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer abschätzbar. Es ist aber allein schon sehr begrüßenswert, wenn durch diese Maßnahmen die Bekanntheit und die Aufmerksamkeit für die genossenschaftliche Rechtsform gesteigert wird.