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Neue Regelung zu Mitgliederdarlehen


Ein Beitrag von RA Sina Papstein, DGRV-Rechtsabteilung, für unser Fachmagazin PerspektivePraxis.

 


Im Februar 2017 beschloss das Bundeskabinett einen für die Genossenschaftswelt bedeutenden Gesetzentwurf. Hinter der sperrigen Bezeichnung „Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften“ verbergen sich zahlreiche Änderungen des Genossenschaftsgesetzes. Kurz vor Toresschluss will die Regierung damit noch Hausaufgaben aus dem Koalitionsvertrag erledigen. Sie hat sich unter anderem einen genossenschaftsrechtlichen Dauerbrenner vorgenommen: Die Finanzierung durch Mitgliederdarlehen. Der Koalitionsvertrag verspricht, Genossenschaften diese Möglichkeit wieder zu eröffnen. Löst die Koalition dieses Versprechen ein?

Das Problem


Will eine Genossenschaft Darlehen von Mitgliedern entgegennehmen, muss sie die Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG) und des Vermögensanlagen-gesetzes (VermAnlG) im Auge behalten. Andernfalls droht Ärger mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Ausgestaltung des Darlehensvertrages entscheidet, welches Regelwerk zum Zuge kommt. Für die Genossenschaft ist dies eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Die gewerbsmäßige Entgegennahme von Darlehen ist grundsätzlich erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft im Sinne des KWG. Eine gesetzliche Ausnahme für Mitgliederdarlehen existiert nicht. Allerdings macht die BaFin eine Ausnahme, wenn Genossenschaften Darlehen nur von ihren Mitgliedern aufnehmen und die Gelder zur Finanzierung eines einmaligen und konkret festgelegten Zwecks verwendet werden. Aufgrund dieser interpretierbaren Vorgaben verbleibt bei der Umsetzung eine große Rechtsunsicherheit. Zudem hat die Verwaltungspraxis keine Gesetzesqualität. Viele Genossenschaften weichen daher auf Nachrangdarlehen aus. Hierbei besteht die Kunst schon darin, den Nach-rang – den Vorgaben der BaFin entsprechend – als „qualifizierten Rangrücktritt“ auszugestalten. Nimmt die Genossenschaft diese Hürde, greift das KWG nicht mehr. Aber die Genossenschaft hat die Vorgaben des VermAnlG zu beach-ten. Unter anderem hat der Genossenschaftsvorstand dafür zu sorgen, dass den darlehensgebenden Mitgliedern vor Vertragsschluss die wesentlichen Informationen über die Vermögenanlage zur Verfügung gestellt werden. Für welchen Weg sich die Genossenschaft auch entscheidet – ohne aufwendige rechtliche Beratung lässt sich das Projekt Mitgliederdarlehen nicht realisieren.

Der Lösungsvorschlag


Der Gesetzentwurf versucht nun, dem Problem mit einer neuen Vorschrift im Genossenschaftsgesetz beizukommen. Paragraph 21b GenG soll künftig die Grenzen der legalen Entgegennahme von Mitgliederdarlehen abstecken und sieht eine Zweckbindung, einen Höchst-betrag, Vorgaben für den Zinssatz so-wie Informationspflichten und ein Widerrufsrecht vor.

Zweckbindung, Höchstbetrag, Zinssatz


Kern der neuen Regelung ist die Zweck-bindung der Darlehenssumme. Damit knüpft der Entwurf an die bisherige Praxis der BaFin an. Die Genossenschaft kann ein Mitgliederdarlehen nicht frei verwenden, sondern muss sich im Vorfeld überlegen, welches konkrete Investitionsvorhaben durch die Mitglieder ermöglicht werden soll. Diese Zweck-bindung muss sich in den Darlehensverträgen wiederfinden. Der Gesamtbetrag sämtlicher von Genossenschaftsmitgliedern zu dem Zweck gewährten Darlehen darf 2,5 Mio. Euro nicht übersteigen. Ist das darlehensgebende Mitglied Verbraucher, darf die Darlehenssumme jeweils nicht höher als 25.000 Euro sein. Auch für den jährlichen Sollzinssatz gibt es Vorgaben. Dieser darf entweder nicht höher sein als 1,5 Prozent oder als die marktübliche Emissionsrendite für Anlagen am Kapitalmarkt in Hypothekenpfand-briefen mit gleicher Laufzeit, wobei der jeweils höhere Wert ausschlaggebend ist.

Informationspflichten


Der Vorstand hat dafür zu sorgen, dass den Mitgliedern der Genossenschaft vor Abschluss des Darlehensvertrages die wesentlichen Informationen über das Investitionsvorhaben sowie mögliche Risiken aus der Darlehensgewährung zur Verfügung gestellt werden.

Widerrufsrecht


Bedauert das Mitglied seine Entscheidung, kann es sich im Nachhinein von dem Darlehensvertrag lösen. Binnen 14 Tagen nach Vertragsschluss (bzw. inner-halb von zwölf Monaten nach Vertrags-schluss bei fehlender Belehrung über das Widerrufrecht) besteht die Möglichkeit, zu widerrufen. In diesem Fall muss die Genossenschaft die Darlehenssumme an das Mitglied zurückzahlen.

Änderung der Zweckbindung


Der Vorstand hat während der gesamten Laufzeit des Darlehens die Einhaltung der Zweckbindung sicherzustellen. Will er diese zugunsten eines anderen Investitionsvorhabens ändern, muss er das Mitglied mit ins Boot nehmen. Zu-nächst ist das Mitglied über die wesentlichen Komponenten des neuen Projekts zu informieren. Erklärt sich das Mitglied dann mit der Änderung der Zweckbindung schriftlich einverstanden, kann die Darlehenssumme für das andere Projekt verwendet werden.

Bewertung


Die neue Regelung ist das Ergebnis eines Spagats zwischen den Vorgaben des EU-Rechts und den Bedürfnissen der Genossenschaften. Die EU schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten die gewerbsmäßige Entgegennahme von Geldern des Publikums durch Nicht-Kreditinstitute untersagen müssen. Eine Ausnahme darf der Mitgliedstaat nur machen, wenn der Anlegerschutz auf anderem Wege gewährleistet ist. Und genau um diese Frage geht es hier. Welche Regelungen sind notwendig, um den Schutz des darlehensgebenden Mitglieds zu gewährleisten? Der Entwurf bedient sich eines Potpourris von Schutzvorschriften und schießt dabei über das Ziel hinaus. Die Darlehensgeber sollen davor geschützt werden, mit ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch auszufallen. Da das gesamte Genossenschafts-vermögen für diesen haftet, müssen Schutzmaßnahmen und Kontrollen an der Genossenschaft als Ganzes und nicht an einzelnen Projekten der Genossenschaft ansetzen. Die Zweckbindung bedeutet bürokratischen Mehraufwand ohne Mehrwert. Der Maximalbetrag von 2,5 Mio. Euro bezweckt die Eindämmung von „Klumpenrisiken“. Bei Genossenschaften ist dies aber schon durch die Pflichtprüfung gewährleistet. Die Begrenzung des Zinssatzes soll verhindern, dass ein Mitglied den Darlehensvertrag ausschließlich zur Gewinn-erzielung abschließt. Aufgrund der besonderen genossenschaftlichen Struktur besteht diese Gefahr jedoch nicht. Einem darlehensgebenden Mitglied geht es in erster Linie darum, die eigene Genossenschaft zu fördern und damit die Förderfähigkeit der Genossenschaft zum Nutzen aller Mitglieder – und damit letztlich auch zu seinem eigenen Nutzen – zu verbessern. Das Mitglied muss einschätzen können, wie hoch das Ausfallrisiko ist. Dazu stehen ihm schon aufgrund der Mitgliedschaft ausreichende Informationen zur Verfügung. Allenfalls wäre das Mitglied noch über Risiken aufzuklären, die mit einer Darlehensvergabe an sich verbunden sind. Soweit es sich bei den darlehensgebenden Mitgliedern um Verbraucher handelt, greifen die im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehenen Widerrufsrechte. Einer Anhebung des Schutzniveaus über ein generelles Widerrufsrecht bedarf es nicht.

Fazit


Die neue Regelung soll mit einfachen Voraussetzungen Rechtsklarheit für Genossenschaften schaffen, wann sie Mitgliederdarlehen entgegennehmen dürfen. Der vorgeschlagene neue § 21b GenG verfehlt dieses Ziel. Genossenschaften könnten damit auch künftig nicht auf aufwendige Rechtsberatung verzichten.

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