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Wie soll er aussehen, der Strommarkt der Zukunft?


Ein Beitrag von Anton Mohr, politischer Referent, Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV

Bisherige Diskussion über die Ausgestaltung des Strommarkts


Der steigende Anteil an erneuerbaren Energien und der damit einhergehenden zeitvariablen und dezentralen Erzeugungsweise verändert den Strommarkt grundlegend. Gleichzeitig ist das Ende der staatlichen Vergütung an den Kohleausstieg geknüpft, sodass die erneuerbaren Energien eigenständig am Markt bestehen müssen. Um den damit einhergehenden Herausforderungen frühzeitig zu begegnen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) ins Leben gerufen. In einem gemeinsamen Prozess mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft wurden verschiede Lösungsansätze für vier zentrale Bereiche des Strommarkts diskutiert: Flexibilitäten, steuerbare Kapazitäten, lokale Signale und erneuerbare Energien. Vor allem die Ausgestaltung des letzten Themenfelds ist für die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV von großer Bedeutung, da sich ein neuer Fördermechanismus stark auf das Potenzial zukünftiger EE-Projekte durch Energiegenossenschaften und andere kleine und mittelgroße Strommarktakteure auswirkt.

Vier Vorschläge für die Förderung der Erneuerbaren Energien


Am 2. August 2024 wurde die Publikation „Strommarktdesign der Zukunft – Optionen für ein sicheres, bezahlbares und nachhaltiges Stromsystem“ veröffentlicht, in denen Vorschläge zu den vier Themenfeldern gemacht werden. Bis zum 6. September konnten Stellungnahmen zu den vorgestellten Handlungsalternativen im Rahmen einer öffentlichen Konsultation eingereicht werden. Ein zentrales Thema des Optionenpapiers ist die langfristige Sicherstellung von Investitionen in erneuerbare Energien. Um den EU-Vorgaben für die EE-Finanzierung bis 2027 gerecht zu werden, muss der Förderrahmen neben der Investitionssicherung auch einen Rückzahlungsmechanismus enthalten. Das BMWK hat dazu vier Förderalternativen vorgeschlagen:

1.) Gleitende Marktprämie mit Refinanzierungsbetrag:

  • Diese Alternative ähnelt dem derzeitigen Modell der gleitenden Marktprämie, wonach Anlagenbetreiber in Zeiten niedriger Strompreise eine Vergütung erhalten, um die Investitionen abzusichern. Zusätzlich gibt es bei dieser Alternative einen Refinanzierungsbetrag, der sicherstellt, dass in Zeiten hoher Strompreise Gelder zurückgezahlt werden.

2.) Produktionsabhängiger zweiseitiger Differenzvertrag ohne Marktwertkorridor:

  • Diese Alternative ähnelt der vorherigen, mit dem Unterschied, dass sich der Spielraum zwischen dem abgesicherten Mindestpreis und dem möglichen Höchstpreis auf null reduziert: alle Strompreise unter dem Festwert werden vom Staat aufgestockt und alle zusätzlichen Gewinne in Zeiten hoher Strompreise müssen zurückgezahlt werden.

3.) Produktionsunabhängiger zweiseitiger Differenzvertrag:

  • Im Gegensatz zu den vorherigen Alternativen berechnet sich die Förderungs- bzw. die Rückzahlungshöhe unabhängig von der tatsächlichen Produktion einer Anlage. Das Produktionspotenzial wird im Vorfeld anhand einer Referenzanlage berechnet. Wenn ein Anlagenbetreiber zusätzlich mehr erzeugt als zuvor berechnet wurde, kann er zusätzliche Einnahmen generieren. Dadurch soll eine optimierte Fahrweise der Anlagen an der Strombörse angereizt werden.

4.) Kapazitätszahlung mit produktionsunabhängigem Refinanzierungsbetrag:

  • Ähnlich wie in der dritten Option wird im Vorfeld berechnet, wie viel eine Anlage zu gegebenen Zeiten produzieren und an der Strombörse einbringen wird. Dieser Betrag wird (ggf. vollständig) abgeschöpft und im Gegenzug erhalten Anlagenbetreiber in diesem Modell eine gleichbleibende feste Kapazitätszahlung, mit der die Investition abgesichert werden soll.

Vorschläge für die Entwicklung für ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Strommarktdesign


Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV hat sich in die Diskussion eingebracht, um auch in Zukunft Projekte von kleinen und mittelgroßen Marktakteuren zu gewährleisten. Die Pläne zur langfristigen Investitionsabsicherung sind grundsätzlich zu begrüßen. Doch nicht alle Varianten berücksichtigen, die für eine regionale und bürgernahe Energiewende so wichtigen kleinen Marktakteure. Die Risiken sind vielseitig und reichen von einer zu starken Konzentration auf große Strommarktakteure über die fehlende Absicherung in Zeiten negativer Strompreise bis hin zu einer erhöhten Unsicherheit aufgrund einer Förderung auf Grundlage von fiktiven Referenzerlösen anstatt auf realen Erzeugungsmengen. Ein großes Risiko würde für diese vor allem dadurch entstehen, wenn die Förderung nicht auf realen Erzeugungsmengen, sondern auf fiktiven Referenzerlösen beruhen sollte. Um die Förderung erneuerbarer Energien fair und effektiv zu gestaltet und die Energiewende weiterhin erfolgreich voranzutreiben, haben wir im Interesse der Energiegenossenschaften bisher folgende Kernpositionen ausgearbeitet:

1.) Entscheidung auf Grundlage von Bewertungskriterien fällen:

  • Die Entscheidung über das Förderinstrument sollte unter Berücksichtigung aller Bewertungskriterien der PKNS gefällt werden, anstatt ausschließlich mit Blick auf die Marktdienlichkeit.

2.) Reale Erzeugungsmengen statt fiktiver Erlöse als Fördergrundlage:

  • Die Förderung sollte auf Grundlage von realen Erzeugungsmengen und nicht auf fiktiven Referenzerlösen beruhen. Produktionsunabhängige Differenzverträge (Optionen 3 und 4) werden abgelehnt, da sie auf unrealistischen Annahmen basieren und Unsicherheiten erzeugen.

3.) Vergangene Fehler vermeiden – Sonderregelungen zulassen:

  • Es sollten Sonderregelungen für kleine und mittelgroße Akteure, alternative Vermarktungsformen und kleine und mittlere Solarstromanlagen unter der Ausschreibungsgrenze eingeführt werden. Dies soll sicherstellen, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Marktakteure berücksichtigt werden.

4.) Förderproblem in Zeiten mit negativen Strompreisen lösen:

  • Zur Lösung des Förderproblems in Zeiten mit negativen Börsenstrompreisen sollten alternative Konzepte wie eine Mengenförderung und eine Abschöpfung über Steuern berücksichtigt werden. Dies würde eine gesicherte Finanzierung gewährleisten und Anreize für die Einspeisung von Strom in nachfragestarken Zeiten setzen.

5.) Reallabore mit kleinen Marktakteuren:

  • Die Umsetzbarkeit der Förderinstrumente sollte umfassend in Reallaboren untersucht werden. Dabei sollten kleinere Marktakteure wie die Energiegenossenschaften gesondert berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass die theoretischen Überlegungen in der Praxis umsetzbar sind. Der Prozess muss daher transparent und unter Einbindung aller Marktakteure erfolgen.

Ausblick


Das BMWK wird die eingegangenen Stellungnahmen auswerten und die Förderinstrumente weiterentwickeln. Mit der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 wird der Prozess je nach Koalition weitergeführt oder neu aufgesetzt werden. In beiden Fällen wird die Bundesgeschäftsstelle beim DGRV auf den dringenden Handlungsbedarf hinweisen, der für kleinere und mittlere Marktakteure besteht. In einem Strommarktdesign der Zukunft muss es weiterhin die Voraussetzungen für erfolgreiche genossenschaftliche EE-Projekte geben. Denn ohne die Beteiligung der Menschen vor Ort und eine merkliche Wertschöpfung durch erneuerbare Energien in den Regionen, wird die Energiewende verstärkt an fehlender Akzeptanz leiden.

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