Ein Beitrag von Dieter Gahlen, Abteilungsleiter Grundsatzfragen des DGRV
Die EU-Kommission hat am 21. April 2021 einen Vorschlag zur Änderung der CSR-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) vorgelegt. Demnach soll der Kreis der Unternehmen, die zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, deutlich erweitert werden. Auch die Vorgaben für die nichtfinanzielle Unternehmensberichterstattung werden ausgeweitet.
Das Ziel der EU-Kommission ist es, bei den Unternehmen mehr Transparenz über nachhaltige Aspekte herzustellen. Neben der besseren Informationslage über nachhaltige Unternehmensaktivitäten sollen auch Impulse gesetzt werden, Finanzmittel zukünftig verstärkt in nachhaltige Investitionsprojekte zu lenken.
Seit 2017 gelten bereits solche nichtfi-nanziellen Berichtspflichten für große kapitalmarktorientierte Unternehmen, Kreditinstitute und Versicherungen. Allerdings kritisierten Investoren und andere Stakeholder, dass diese Informationen nur bedingt vergleichbar seien und der Kreis von nur 500 betroffenen Unternehmen in Deutschland zu klein sei. Der neue Vorschlag der EU-Kommission adressiert nun diese Kritikpunkte.
Der DGRV begrüßt ausdrücklich die Zielsetzung der EU-Kommission, die CSR-Richtlinie grundlegend zu überarbeiten. Allerdings müssen die mit dem vorliegenden Richtlinienentwurf deutlich erweiterten Berichtspflichten insbesondere für mittelständisch geprägte, nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen leistbar sein.
Deshalb hat der DGRV zu dem Richtlinienvorschlag sowohl gegenüber dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz als auch gegenüber der EU-Kommission Stellung bezogen. Im Folgenden wird auf die wesentlichen Aspekte der Stellungnahme eingegangen.
Der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen soll nach dem Richtlinienvorschlag deutlich ausgeweitet werden. Während bislang nur Unternehmen von öffentlichem Interesse (Banken, Versicherungen, kapitalmarktorientierte Unternehmen) mit mehr als 500 Mitarbeitern berichtspflichtig waren, sollen zukünftig alle großen Unternehmen i.S.d. Bilanzrichtlinie berichtspflichtig sein.
Dadurch würden auch Unternehmen berichtspflichtig, die zwar mehr als 40 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften und eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro vorweisen, aber weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen. Im Hinblick darauf, dass für die qualitativ hochwertige Erfüllung der umfangreichen CSR-Berichtspflichten auch ein gewisser personeller Unterbau erforderlich ist, sollten nur große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern berichtspflichtig werden.
Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass die Europäische Kommission zukünftig Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Wege delegierter Rechtsakte erlassen will. Ein für die Nachhal-tigkeitsberichterstattung zu schaffendes Rahmenwerk sollte unbedingt prinzipienorientiert sowie proportional zur Unternehmensgröße ausgestaltet und anwendbar sein.
Wichtig ist zudem, dass neben den Nachhhaltigkeitsbereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der unternehmerischen Aktivitäten nicht außer Acht gelassen wird.
Für kleine und mittlere Unternehmen sollen vereinfachte freiwillige EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht werden. Das ist zu begrüßen, denn auch die KMU werden zunehmend von Ihren Kunden, Banken, Versicherungen etc. auf Nachhaltigkeitsaspekte angesprochen. Wichtig ist aber, dass solche freiwilligen Standards sich auf die wesentlichen Informationen beschränken und nicht zu einer bürokratischen Last werden.
Gegenwärtig reichen Unternehmen ihre Jahresabschlüsse und Lageberichte mit den gängigen Datenformaten der Textverarbeitung zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger ein. Diese Formate wie PDF oder MS WORD haben sich in der Praxis bei der Veröffentlichung in elektronischen Medien bewährt.
Kapitalmarktorientierte Unternehmen sind seit 2020 indes verpflichtet, ihre Jahresfinanzberichte in einem einheitlichen elektronischen Format (ESEF), d.h. in einem XHTML-Format, zu veröffentlichen. Bei bestimmten Konstellationen müssen einzelne Positionen zusätzlich auch noch im iXBRL-Formt gekennzeichnet werden (sog. Tagging). Diese Veröffentlichungen im ESEF-Format haben selbst große börsennotierte Unternehmen vor enorme Herausforderungen gestellt.
Gerade vor dem Hintergrund der deutlichen Ausweitung der CSR-Berichterstattung auf kleinere Unternehmen ist es unbedingt erforderlich, weiterhin eine Veröffentlichung in den gängigen Dateiformaten zu ermöglichen. Das komplexe, für kapitalmarktorientierte Unternehmen konzipierte Veröffentlichungsformat ESEF darf somit nicht auf die Jahresabschlüsse und Lageberichte von nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen ausgedehnt werden.
Der Richtlinienentwurf sieht vor, dass die neuen Bestimmungen für ab dem 1. Januar 2023 beginnende Geschäftsjahre gelten. Dies ist im Hinblick auf den zu erwartenden Umsetzungsaufwand zeitlich sehr ambitioniert.
Gemäß Artikel 19b des Richtlinienentwurfs plant die EU-Kommission, ihre Standards für die Nachhaltigkeitsbe-richterstattung erst zum Ende Oktober 2022 vorzulegen. Eine Erstanwendung für ab dem 1. Januar 2023 beginnende Geschäftsjahre ist damit praktisch nicht umsetzbar.
Nach Vorlage der finalen Standards brauchen insbesondere die erstmals berichtspflichtigen Unternehmen ausreichend Zeit, um eine qualitativ hochwertige Umsetzung der Anforderungen zu gewährleisten.
Neben den zuvor genannten Punkten ist in diesem Zusammenhang auch auf die Taxonomie-Verordnung hinzuweisen. Dabei handelt es sich um eine EU-Verordnung, die Kriterien definiert, mit denen eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig eingestuft werden kann (Taxonomie).
Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung erweitert zusätzlich bereits ab 2022 die CSR-Berichterstattung um weitere insbesondere quantitative Angaben. Zur Erhebung dieser Daten sind die berichtspflichtigen Unternehmen wiederum auf umfangreiche Angaben ihrer Kunden bzw. Kreditnehmer angewiesen.
Die aktuell vorliegende Entwurfsfassung des delegierten Rechtsaktes ist sehr umfangreich und so komplex, dass zu befürchten ist, dass die Umsetzung insbesondere bei mittelständischen Unternehmen nicht ohne Hinzuziehung von (Nachhaltigkeits-)Beratern möglich sein wird.
Darüber hinaus geht die Entwurfsfassung des delegierten Rechtsaktes aus unserer Sicht deutlich über die Anforderungen von Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung hinaus. Die Vorgaben erscheinen zu komplex und somit nicht praktikabel.
Im Hinblick auf den sehr kurzen Umsetzungszeitraum und den damit verbundenen notwendigen umfangreichen Implementierungsarbeiten plädiert der DGRV für eine Verschiebung des Erstanwendungszeitpunktes. Darüber hinaus sollte der delegierte Rechtsakt auf das Neukreditgeschäft ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens beschränkt sein.
Des Weiteren fordert der DGRV eine Wesentlichkeitsgrenze, so dass beispielsweise Finanzierungen erst ab einer gewissen Größe überhaupt diesen Anforderungen unterliegen – auch dies mit Blick auf den bürokratischen Aufwand insbesondere für mittelständische Unternehmen.
Nach einer Auswertung des DRSC wird sich mit der novellierten CSR-Richtlinie der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen allein in Deutschland von ca. 500 auf ca. 15.000 Unternehmen erhöhen. Die vorgenannten Punkte haben verdeutlicht, dass die neuen Berichtspflichten gerade für die nicht-kapitalmarktorientierten, mittelständisch geprägten Unternehmen eine enorme Herausforderung darstellen. Daher sollte bei der nationalen Umsetzung des Richtlinienvorschlags auf eine 1:1-Umsetzung geachtet werden. Ein „Goldplating“, also eine „überschießende“ Umsetzung und Überregulierung, sollte insgesamt vermieden werden.