Ein Beitrag von WP Daria Babicheva, Referentin Abteilung Grundsatzfragen des DGRV
Am 5. Januar 2023 trat die Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) in Kraft. Diese löst die bisherige CSR-Richtlinie (Richtlinie 2014/95/EU) ab und ändert unter anderem die Bilanzrichtlinie (Richtlinie 2013/34/EU). Die CSRD soll verlässliche und vergleichbare Nachhaltigkeitsinformationen bereitstellen, um Investitionen in nachhaltige Technologien und Unternehmen zu fördern. Der Gesetzesentwurf zur deutschen Umsetzung der CSRD (CSRD-UmsG) wurde am 22. März 2024 vom Bundesministerium der Justiz veröffentlicht. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschriften beschränken sich im Wesentlichen auf eine „Eins-zu-eins“-Umsetzung der CSRD. Die Konsultationsfrist zu dem Entwurf des CSRD-UmsG ist am 19. April 2024 abgelaufen.
Im Rahmen des Konsultationsverfahrens hat der DGRV eine Stellungnahme zum Entwurf des CSRD-UmsG an das Bundesministerium der Justiz abgegeben. Der DGRV begrüßt ausdrücklich die geplante „Eins-zu-eins“-Umsetzung der CSRD. Allerdings macht der DGRV in seiner Stellungnahme auf den erheblichen Umfang der Angaben, die in den künftigen Nachhaltigkeitsbericht aufzunehmen sind, aufmerksam und betont, dass die berichtspflichtigen Unternehmen vor diesem Hintergrund vor einer kaum zu bewältigenden Aufgabe stehen.
Die CSRD betrifft folgende Unternehmen:
Warengenossenschaften sind nicht berichtspflichtig (außer sie sind kapitalmarktorientiert und haben gleichzeitig mehr als 500 Mitarbeitende).
Die Verpflichtung zur Aufstellung des Nachhaltigkeitsberichts ergibt sich zum einen unmittelbar aus dem Handelsrecht. Zum anderen kann sich diese Verpflichtung auch mittelbar aus bspw. Spezialgesetzen, wie z. B. aus § 6b Abs. 1 EnWG, aus Gesellschaftsverträgen oder anderen Vorschriften wie z. B. Kommunalverfassungen resultieren.
Unternehmen, die allein aufgrund des Publizitätsgesetzes einen (Konzern-)Lagebericht aufstellen, sollen nicht in den Anwendungsbereich der CSRD fallen.
Tochterunternehmen sowie Mutterunternehmen, sofern es sich um die Berichterstattung eines Mutterunternehmens auf Einzelunternehmensebene handelt, können unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung befreit werden.
Zu beachten ist, dass zukünftig die Befreiungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Aufstellung der Konzernfinanzberichterstattung nicht mehr auf den Konzernlagebericht insgesamt abstellen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein befreiender Konzernabschluss und Konzernlagebericht vorliegen, wird nur auf den finanziellen Teil des Konzernlageberichts Bezug genommen.
Parallel zur CSRD und den damit einhergehenden ESRS gibt es schon heute diverse Nachhaltigkeitsberichtsanforderungen und auch noch weitere, bereits angekündigte Ansprüche; zum Beispiel die Berichtspflichten nach Art. 8 der Taxonomie-Verordnung, die europäische Richtlinie zur Corporate Sustainability Due Diligence (CSDD), die Einrichtung eines European Single Access Points (ESAP) und die noch zu erwartenden 40 sektorspezifischen Standards der EFRAG. Mit dieser Flut an Detailinformationen auf Basis unterschiedlicher Regelwerke und Anforderungen (mit zum Teil ähnlichen, aber nicht identischen Erwartungen) werden die Unternehmen in den nächsten Jahren – teilweise zeitgleich – konfrontiert werden, was insbesondere bei mittelständisch geprägten nichtkapitalmarktorientierten Unternehmen zur weiteren Überlastung führen wird.
Hinzu kommt, dass große Unternehmen aufgrund ihrer Berichtspflichten Datenanforderungen an kleinere Unternehmen, mit denen sie in Geschäftsverbindung stehen, weitergeben werden, auch wenn Letztere nicht immer direkt von diesen Berichtspflichten betroffen sind. Insofern können die ESRS – unabhängig von einer direkten Berichtspflicht – Konsequenzen für alle Unternehmen haben.
Die zeitliche Anwendung der neuen Berichtspflichten erfolgt zeitlich gestaffelt, und zwar:
Der (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht muss künftig zwingend in den (Konzern-)Lagebericht aufgenommen werden und bildet einen eigenen Abschnitt darin. Die Erstellung des (Konzern-)Nachhaltigkeitsberichts erfolgt gleichzeitig mit der (Konzern-)Finanzberichterstattung. Damit wird der (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht auch zwingend Gegenstand der Prüfung durch den Prüfungsverband.
Die Inhalte des (Konzern-)Nachhaltigkeitsberichts umfassen die Angaben zu Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsfaktoren sowie Governance-Faktoren, einschließlich der Nachhaltigkeitsfaktoren sowie zur gesamten Wertschöpfungskette. Allerdings können die Angaben zur Wertschöpfungskette im ersten Jahr der Berichtspflicht oder in den beiden darauffolgenden Geschäftsjahren unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben. Die verpflichtend anzuwendenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS) regeln die detaillierte Ausgestaltung der einzelnen Angaben.
Der Umfang der Berichterstattung wird durch die Wesentlichkeitsanalyse bestimmt. Dabei stellen die ESRS auf die sog. doppelte Wesentlichkeit ab. Diese umfasst die Wesentlichkeit der Auswirkungen (Impact Materiality) und die finanzielle Wesentlichkeit (Financial Materiality). Aus der Perspektive der Wesentlichkeit der Auswirkungen betrachtet das Unternehmen, welche Auswirkungen das unternehmerische Handeln auf andere, d. h. Menschen, Gesellschaft und Umwelt hat. Aus der Perspektive der finanziellen Wesentlichkeit betrachtet das Unternehmen, welche Auswirkungen die Nachhaltigkeitsfaktoren, z. B. Klimawandel, Biodiversität etc. auf den Unternehmenserfolg und künftige Cashflows haben. Bei einer solchen Betrachtung ist ein Nachhaltigkeitsaspekt wesentlich, wenn er entweder aus einer oder der anderen Perspektive oder aus den beiden Perspektiven wesentlich ist (additive Betrachtung). Nach der derzeit geltenden Rechtslage sind demgegenüber nur die Nachhaltigkeitsaspekte berichtspflichtig, die aus der Schnittmenge der beiden Wesentlichkeiten resultieren. Ferner müssen in den (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht Angaben nach Art. 8 der Taxonomie-Verordnung aufgenommen werden. Die Anforderungen der Taxonomie-Verordnung gelten im Unterschied zu den Vorschriften der CSRD, die zunächst ins deutsche Recht umgesetzt werden musste, unmittelbar. Somit müssen die Unternehmen, die nicht in den Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung fallen, ausschließlich die nationalen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung beachten. Dies ist relevant für Unternehmen, die aufgrund ihres Gesellschaftsvertrags oder anderer Vorschriften, z. B. landesrechtlichen Vorschriften zur Landeshaushaltsordnung und den Gemeindeordnungen bzw. Kommunalverfassungen zu Bilanzierung nach den handelsrechtlichen Vorschriften für große Kapitalgesellschaften verpflichtet sind. Diese Unternehmen müssen einen Nachhaltigkeitsbericht nach den neuen Vorgaben des Handelsgesetzbuchs (HGB) aufstellen, jedoch ohne die Angaben nach der Taxonomie-Verordnung.
Nach geltendem Recht ist für die Aufstellung des (Konzern-)Lageberichts kein bestimmtes Format vorgegeben. Dies ändert sich mit der Umsetzung der CSRD. Ist der (Konzern-)Lagebericht künftig um einen (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht zu erweitern, so muss der (Konzern-)Lagebericht gemäß. der Delegierten Verordnung (EU) 2019/815 in einem einheitlichen elektronischen Berichtsformat (sog. ESEF-Format) aufgestellt werden. Die Auszeichnung (sog. Tagging) erfolgt jedoch nur für den (Konzern-)Nachhaltigkeitsbericht.
Die Umsetzung der CSRD führt nicht nur bloß zur Erweiterung des Anwenderkreises in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Durch das Konzept der doppelten Wesentlichkeit, der Berichterstattung entlang der gesamten Wertschöpfungskette und verpflichtenden Anwendung der ESRS wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung sehr umfangreich und komplex. Auch technisch werden sich einige Neuanwender aufgrund des ESEF-Formats und des Taggings neu aufstellen müssen. Ferner darf die gleichzeitige Aufstellung der Finanzberichterstattung und der Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund der Verortung des Nachhaltigkeitsberichts im Lagebericht nicht außer Acht gelassen werden. Es stellt sich insbesondere mit Blick auf mittelständische Unternehmen die Frage, ob die Umsetzung der neuen gesetzlichen Anforderungen ohne Hinzuziehen von Beraterinnen oder Beratern und ohne den Aufbau von zusätzlichen fachlichen Kapazitäten überhaupt möglich sein wird.