Ein Beitrag von PD Dr. Andreas Haaker, CIIA, CEFA für unser Fachmagazin PerspektivePraxis
Bitcoin & Co. ist auch ein Bilanzierungsthema (vgl. nachfolgend Haaker, DB 22/2018, S. M4 f.). Für die Klärung von Bilanzansatz- und bewertungsfragen muss zunächst die ökonomische Substanz hinterfragt werden. Ökonomen scheuen zwar den Vergleich mit (digitalem) Gold nicht, warnen aber auch vor der Ungewissheit darüber, welche Kryptowährungen sich am Ende durchsetzen könnten (vgl. Möbert, Bitcoin – Meinungen, Mythen und Missverständnisse, Deutsche Bank Research vom 29.01.2018). Auch das Bewertungsproblem liegt auf der Hand, denn „Anlagenotstand“ und Technologieeuphorie haben die Marktpreise von Bitcoin & Co. in gewaltige Fallhöhen steigen und schwanken lassen.
Hier erweist sich die prinzipiengeleitete HGB-Systematik als der kasuistischen Standardisierung der International Financial Reporting Standards (IFRS) überlegen. Egal ob als flüssige (Geld-)Mittel, Handelsware oder sonstiges Vermögen dem Umlaufvermögen zugeordnet, gelten bei Bitcoin das Anschaffungskosten- und das strenge Niederstwertprinzip. Dabei ist Bitcoin nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) immer Umlauf- und nie Anlagevermögen, weil der Gesetzeszweck des Gläubigerschutzes gegen eine Bewertung als Anlagevermögen spricht, die eine Bewertung zum gemilderten Niederstwertprinzip vorsieht. Bitcoin wird zwar gerne mit Goldbarren verglichen. Im Gegensatz dazu jedoch „existiert es nur virtuell und kann nicht wie Gold sinnlich erfahren werden“ (Mayer, ifo Schnelldienst 22/2017, S. 8). Für die HGB-Bankbilanz steht fest, dass selbst richtige Goldbarren in die sonstigen Vermögensgegenstände gehören und daher als Umlaufvermögen nach dem strengen Niederstwertprinzip (Abschreibung auf einen niedrigeren Stichtagswert) zu behandeln sind. Nicht zweckgerecht wäre es, Goldbarren als Anlagevermögen zum gemilderten Niederstwertprinzip zu bewerten. Dann bestände nämlich nur bei „dauerhaften Wertminderungen“ eine Abschreibungspflicht. Was aber heißt dauerhaft? Die Gefahr von Schindluder bei unter die Anschaffungskosten gesunkenen Goldpreisen liegt auf der Hand. Bei Anlagegütern kann man hingegen über dem Stichtags(markt)wert bleiben, soweit sie betrieblich genutzt werden und langfristig einen internen Nutzen stiften. Bei verzinslichen Wertpapieren des Anlagevermögens kann mitunter davon ausgegangen werden, dass sie nur zinsbedingt unter die Anschaffungskosten sinken. Bei Gold und erst recht bei Bitcoin & Co. stellt sich die Situation ganz anders dar.
Echtes oder virtuelles Gold bringt als Anlage keine Zinsen und lässt sich nicht wie eine Maschine oder ein Patent intern nutzen. Bei Gold kann man mangels interner Nutzung oder Verzinsung daher keinen vergleichbaren Grund finden, um mit dem Wertansatz über dem Stichtagswert zu bleiben. Bitcoin stellt zudem kein vollwertiges, sondern allenfalls „substanzloses“ Gold dar. Insofern überrascht es, dass im Gegensatz zu Gold bei Bitcoin eine Behandlung als immaterielles Anlagegut nach GoB „mangels anderer sachgerechter Alternativen“ befürwortet wird (so Kirsch/Wieding, BB 2017, S. 2735). Die daraus folgende Bewertung ist im Rahmen der GoB weder sachgerecht noch alternativlos. Das unzweckmäßige Vorgehen scheint durch die IFRS-Praxis inspiriert.
Den IFRS mangelt es an einer prinzipienorientierten Systematik. Für verschiedene Bilanzierungsbereiche (z. B. Sachanlagen, Immaterialgüter, Vorräte, Finanzinstrumente usw.) gibt es jeweils einen eigenen kasuistischen Standard. Bitcoin & Co. fallen hier durch das Raster, was kuriose Folgen hat. Nach IFRS wird der Ausweis als immaterieller Vermögenswert zumindest für vertretbar gehalten, obgleich „Bitcoin als Transaktionsmedium […] in der Gesamtbetrachtung nicht unmittelbar und v. a. nicht intuitiv dem Charakter eines immateriellen Vermögenswerts nach IAS 38“ entsprechen (so Kirsch/Wieding, IRZ 2018 S. 119). „Als Alternative kommt für Bitcoin ein separater Bilanzposten bzw. ein Ausweis unter den sonstigen nicht-finanziellen Vermögenswerten in den current assets infrage, da hierdurch ein besseres Verständnis der Vermögenslage des Unternehmens vermittelt wird“ (Kirsch/Wieding, IRZ 2018, S. 119). Der Widerspruch zum gesunden Menschenverstand ist nicht zu übersehen. Die herrschende Meinung, am „ehesten scheinen Kryptowährungen die Kriterien eines immateriellen Vermögenswerts gemäß IAS 38 zu erfüllen“ (Flick/Worret, International Accounting News 3/2018, S. 5), ist widerlegbar (vgl. Lüdenbach, PiR 2018, S. 106). IAS 38 bezieht sich auf langfristige Vermögenswerte (Anlagevermögen) und bildet das „substanzlose“ Pendant zu den nach IAS 16 zu bilanzierenden Sachanlagen. Dabei erfasst IAS 16 nur Sachanlagen, die dauerhaft dem Geschäftsbetrieb dienen (IAS 16.6), was gleichermaßen für immaterielle Vermögenswerte nach IAS 38 gelten muss.
Zwar wurde die explizite „Anforderung, dass der Vermögenswert für Zwecke der Herstellung oder der Lieferung von Gütern oder Dienstleistungen, zur Vermietung an Dritte oder für Verwaltungszwecke gehalten wird, […] aus der Definition eines immateriellen Vermögenswerts gestrichen“ (IAS 38.IN5), dies hat jedoch faktisch keine Auswirkungen auf den Anwendungsbereich.
Ein Vermögenswert „Bitcoin“ unterliegt naturgemäß keiner Nutzungsdauerbegrenzung. Da die Begrenzung der Nutzungsdauer nach IAS 38 jedes Jahr zu überprüfen ist, muss es sich nach IAS 38 jedoch um Vermögenswerte handeln, die zumindest dem Wesen nach einer zeitlich begrenzten Nutzungsdauer unterliegen können. Das ist bei Bitcoin offensichtlich nicht der Fall. Da im Anwendungsbereich des IAS 38 sowohl bei zeitlich begrenzt als auch bei unbegrenzt nutzbaren Vermögenswerten ein fortlaufender Nutzenzufluss aus der fortgesetzten Nutzung angenommen wird (Lüdenbach, PiR 2018, S. 105), schließt das Bitcoin faktisch von einer mehr als widersprüchlichen Bilanzierung nach IAS 38 aus, zumal Bitcoin andernfalls ein kurioser Anwendungsfall der Neubewertungsmethode nach IAS 38 sein könnte.
Nach der Neubewertungsmethode des IAS 38 würden Werterhöhungen, die über die Anschaffungskosten hinausgehen, wenngleich nicht erfolgswirksam, ausgewiesen. Welcher Adressat an einer solch kuriosen Bilanzierungsweise interessiert sein soll und Bitcoin mit einem Patent oder Entwicklungsprojekt vergleichbar als immaterielles Anlagegut interpretiert, bleibt im Dunklen.