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Bitte ein Bot – Genossenschaftsbeitritt per Roboter?


Ein Beitrag von Sina Papstein, stellvertretende Abteilungsleiterin Recht beim DGRV

Genossenschaftsbeitritt per Robotic Process Automation?


In allen Wirtschaftsbereichen wird digitalisiert und automatisiert. Administrative Routineaufgaben zum Beispiel werden mittlerweile gerne auf Softwareroboter, sogenannte Bots, übertragen. Diese folgen den Regeln einer Robotic Process Automation – robotergestützter Prozessautomatisierung, kurz: RPA. Die Ziele hierbei sind: Kosten- und Risikoreduzierung, beschleunigte Prozesse und Neuausrichtung der Arbeitskapazitäten. Über der Begeisterung am technischen Möglichen schwebt jedoch immer die Frage nach dem rechtlich Zulässigen. Dies gilt auch bei genossenschaftlichen Fragestellungen: Könnte beispielsweise das Zulassungsverfahren zur Genossenschaft derart automatisiert werden?

Bots in der Praxis


„… dann drücken Sie die Eins, … wenn Sie Fragen zu … haben, dann drücken Sie die Zwei.“ Es gibt wohl niemanden, der bei einer Hotline noch nicht einen solchen Fragenmarathon überstehen musste, bevor er an einen persönlichen Ansprechpartner geriet. Wer aber bis dorthin gelangt, kann sich glücklich schätzen. Denn nicht selten kommt es vor, dass man bei einer „falschen“ Tastenkombination auf eine Internetadresse mit Fragen und Antworten oder eine weitere Telefonnummer verwiesen wird. Noch anspruchsvoller wird es, wenn beim automatisierten Fragenmarathon gesprochene Antworten gefordert werden. Tagesverfassung, Dialekt und persönliche Ausgeglichenheit spielen für den erfolgreichen Ausgang keine unerhebliche Rolle. Verwiesen sei an dieser Stelle an den bedauernswerten Herrn, der die Deutsche Bahn per Telefon um eine Fahrplanauskunft nach Rossau ersuchen wollte (leicht zu finden auf Youtube).

Bot und KI


Grundlage eines solchen automatisierten Informationssystems ist im Ausgangspunkt ein klar definierter Prozess, in dem die kommende Frage stets auf der Antwort der vorausgehenden Frage basiert. Idealerweise gelangt man am Ende eines solchen Prozesses automatisch zur Beantwortung / Erledigung des ursprünglichen Anliegens. Voraussetzung ist allerdings, dass der komplette Prozess in so kleine Entscheidungsmodule zerlegt wird, dass sich bei der Entscheidungsfindung keine Lücken auftun. Denn sobald Erwägungen eine Rolle spielen, kann es mit einem automatisierten Verfahren problematisch werden. Hier, so heißt es, greift dann die KI (künstliche Intelligenz), doch wie steht es mit der Rechtmäßigkeit des Einsatzes von KI? Betrachten wir hierzu das anfängliche Beispiel des Genossenschaftsbeitritts, gerät doch insbesondere für größere Genossenschaften die Zulassung von Beitrittsinteressenten zum Massengeschäft. Der Einsatz eines Bots zur Vereinfachung des Zulassungsverfahrens bietet sich daher an – sofern die aktuelle Rechtslage hier keinen Strich durch die Rechnung macht. Zur Klärung dieser Frage ist folgender rechtliche Rahmen zu betrachten:

Voraussetzungen der Mitgliedschaft in einer Genossenschaft – Beitritt und Zulassung des Beitritts


§ 15 des Genossenschaftsgesetzes regelt, dass die Mitgliedschaft zu einer Genossenschaft durch eine Beitrittserklärung und die Zulassung des Beitritts durch die Genossenschaft erworben wird. Für die Beitrittserklärung ist die Schriftform, § 126 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), zwingend vorgeschrieben. Das heißt, es ist eine eigenhändige Unterschrift erforderlich, wobei auch eine qualifizierte elektronische Signatur zulässig ist, §§ 126, 126a BGB. Die Zulassung des Beitritts wiederum kann dann formlos (z.B. per Mail) erfolgen.

Sowohl die Beitrittserklärung als auch die Zulassung des Beitritts sind Willenserklärungen. Das bedeutet, sie sind menschliches Verhalten, durch das jemand zu erkennen gibt, dass nach seinem Willen bestimmte Rechtsfolgen eintreten sollen. Die Beitrittserklärung geht von dem Beitrittswilligen aus. Über die Zulassung des Beitritts entscheidet die Genossenschaft. Zuständig für die Zulassungsentscheidung ist in der Regel der Vorstand. Allerdings kann der die Entscheidung delegieren – möglicherweise auch an einen Bot.

Nur bei Vorliegen beider Willenserklärungen, also Beitrittserklärung und Zulassung des Beitritts, wird die Antragstellerin oder der Antragssteller Mitglied der Genossenschaft.

Zulassungsverfahren per Bot


Bislang beruht die Zulassung eines Genossenschaftsbeitritts auf der Entscheidung von natürlichen Personen (z.B. des Vorstands der Genossenschaft), die auf Basis der ihnen vorliegenden Beitrittserklärung urteilen. Zweifelsohne handelt es sich bei der Entscheidungsfindung mehr oder weniger um eine Routineaufgabe, diese könnte leicht von einem Bot übernommen werden.

Allerdings setzt das Zulassungsverfahren wie bereits dargelegt beidseitige Willenserklärungen voraus. Die für die Abgabe einer Willenserklärung erforderliche Handlungsfähigkeit haben jedoch nur Menschen. Was dem Einsatz eines Bots somit im Weg zu stehen scheint, löst sich aber schnell wieder auf. Zwar muss die Willenserklärung selbst auf einen menschlichen Willen zurückzuführen sein, nicht aber der Weg dahin. Ein Verbot der automatisierten Erzeugung einer solchen Willenserklärung sowie deren digitalen Übermittlung besteht nämlich nicht.

Für den Einsatz eines Bots bedeutet dies nun: Werden durch den Bot die vom Menschen gemachten Vorgaben lediglich abgeprüft und dann zu einer Erklärung verarbeitet, liegen die Voraussetzungen einer Willenserklärung vor. Schließlich handelt es sich dann um nicht viel mehr als einen maschinell ausgewerteten Fragebogen. Unter diesen Voraussetzungen ist der Einsatz eines Bots im Zulassungsverfahren rechtlich möglich.

Ein wenig anders verhält es sich jedoch mit dem Einsatz von KI. Diese ist in der Lage, selbstständig Parameter für eine Entscheidungsfindung zu erlernen oder zu definieren. Das heißt, losgelöst von den ursprünglichen Dateneingaben und Parameterbestimmungen, kann die KI selbst Maßstäbe festlegen und würde damit den „menschlichen Entscheidungsprozess“ ersetzen. Dies aber erfüllt nicht die dargestellten Voraussetzungen einer Willenserklärung, welche Grundlage des Zulassungsverfahrens ist. Ein Zulassungsverfahren durch den Einsatz von KI wäre somit nach aktueller Rechtslage rechtlich unzulässig.

Zusammengefasst: Bot ja, generative KI nein


Eine Beitrittserklärung zu einer Genossenschaft mit Hilfe eines Bots zu verarbeiten, ist nicht nur verwaltungstechnisch sinnvoll, sondern auch rechtlich zulässig, da ein Bot lediglich die durch Menschen vorgegebenen Parameter abfragt und umsetzt. Hinsichtlich des Einsatzes autonomer Entscheidung durch KI fehlt es (derzeit) jedoch an dem erforderlichen rechtssicheren Rahmen.

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