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Climate Smart Villages


Ein Beitrag von Korbinian März, Referent Abteilung Internationale Beziehungen beim DGRV

Genossenschaftliche Anpassung an den Klimawandel


Kleinbäuerin Smita Kavitha

Im Distrikt Ananthapur im indischen Bundesstaat Andra Pradesh leiden landwirtschaftliche Kleinbetriebe zunehmend an den Folgen des Klimawandels. Insbesondere die zunehmenden Dürreperioden stellen sie vor Herausforderungen. „Früher hatten wir alle ein bis zwei Jahre eine gute Ernte, aber in den letzten Jahren ist es nur noch alle drei oder vier Jahre so. Das ist sehr schwierig für uns“, berichtet die Kleinbäuerin Smita Kavitha. Shri Ramulu, der wie Smita Kavitha Gemüse und Obst auf kleinen Flächen anbaut, ergänzt: „Die Klimakrise macht uns das Leben immer schwerer. Wir können nicht mehr so viel anbauen wie früher. Die Erträge gehen zurück und unser Obst und Gemüse wird anfälliger für Krankheiten.“

Kleinbetriebe wie die von Smita Kavitha und Shri Ramulu sind auf natürliche Niederschläge angewiesen. Im Distrikt Ananthapur werden etwa 90 Prozent der Nettoanbauflächen mit Regenwasser bewässert. Das fehlende Wasser führt zu Ernteverlusten, die landwirtschaftliche Kleinbetriebe in ihrer Existenz bedrohen. Landflucht und Abwanderung von Kleinbäuerinnen und -bauern in die Städte sind die Folge. Obwohl die indische Regierung verschiedene Programme zur Bekämpfung von Dürren umsetzt, konnten diese bisher die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels nicht ausreichend abmildern. Smita Kavitha und Shri Ramulu versuchen deshalb, in Eigeninitiative ihre bedrohliche Situation selbst zu ändern. Sie kooperieren in genossenschaftlichen Produzentengruppen, um nachhaltigere Anbauweisen zu entwickeln und ihre Kleinbetriebe an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Climate Smart Villages


In Indien herrscht eine große soziale Ungleichheit, insbesondere in den ländlichen Regionen Indiens. Vor allem Frauen haben dort nur sehr begrenzte Bildungs- und Berufsperspektiven. Durch ihre Einbindung in FPOs wird ihnen die Möglichkeit eröffnet, ihre soziale und wirtschaftliche Position in der Gesellschaft zu verbessern. Kleinbäuerin Smita Kavitha profitiert beispielsweise von den Buchhaltungstrainings. Durch die verbesserte finanzielle Grundbildung kann sie fundiertere Entscheidungen über ihre Investitionen und Ausgaben treffen. Darüber hinaus lernt sie neue Anbaumethoden und -techniken kennen, um ihre Ernteerträge zu verbessern und ihre Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. In Trainings für Geschlechtergerechtigkeit wird sie in ihren Rechten als Frau und Bäuerin gestärkt und lernt, wie sie sich gegen Diskriminierung und Ungleichheit wehren kann. Durch die Unterstützung der FPO als Climate Smart Village konnte sie ihre Lebensbedingungen deutlich verbessern. Sie hat nun ein höheres Einkommen, kann ihre Familie besser ernähren und ihren Kindern eine bessere Bildung ermöglichen. Sie ist selbstbewusster und selbstbestimmter und nimmt aktiv am gesellschaftlichen Leben teil.

Mitglieder des Climate Smart Village bei einer landwirtschaftlichen Schulung

Die Förderung von Frauen ist auch ein wichtiges Ziel in der internationalen Projektarbeit des DGRV. Konkret werden im Rahmen von Aktivitäten des vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderten Projekts in Indien – mit Hilfe der bereits erwähnten APMAS und der luxemburgischen Non-Profit-Organisation Aide à l’Enfance de l’Inde et du Népal (AEIN) – gezielt frauengeführte FPOs in Ananthapur gefördert.

APMAS ist im südlichen Indien die führende Fachorganisation für Kapazitätsaufbau, die Stärkung und Qualitätsbewertung von Selbsthilfegruppen und anderen lokalen gemeindebasierten Organisationen, sowie in Fragen der Existenzsicherung in ländlichen Regionen. AEIN setzt sich bereits seit 1967 für die Förderung von Frauen in Indien ein. Der Fokus der trilateralen Aktivitäten liegt im Aufbau von Climate Smart Villages, die vor allem von Frauen geführt und genutzt werden.

Wie am Beispiel von Smita Kavitha gut zu sehen, umfasst die Förderung neben allgemeinen Bildungsangeboten zu genossenschaftlichen Themen und Agrarexpertise auch Trainings, die auf die spezielle Situation von Frauen in der Landwirtschaft zugeschnitten sind. Denn traditionell ist der landwirtschaftliche Sektor in Indien von Männern dominiert. Möglichkeiten zur Teilhabe von Frauen zu schaffen und wirtschaftliche Emanzipation zu ermöglichen sind zentrale Zielsetzungen der Kooperation.

Klimaschutz dank Kooperation


Kleinbauer Shri Ramulu (rechts) mit einer Solarfalle

Seit dem Beginn des Gemeinschaftsprojekts haben über 1400 Landwirtinnen und Landwirte Schulungen in verschiedenen innovativen Techniken erhalten. Diese umfassen den Kapazitätsaufbau, das Erntemanagement, die Verbesserung der Bodenbewirtschaftung und den Anbau einfacher, aber effektiver Futtermittel. Doch auch die genossenschaftlichen Besonderheiten wie die Rechte und Pflichten der Mitglieder oder die Mitgliederförderung werden vermittelt und betriebswirtschaftliches Wissen gelehrt.

Konkrete Maßnahmen beinhalten die Einführung von Fruchtfolgen und den Anbau resistenter Sorten wie Hirse. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Bodenmanagement, denn in den die Regionen ist eine zunehmende Verschlechterung der Bodenqualität zu beobachten. Durch die ausschließliche Verwendung biologischer Dünger werden die Bodengesundheit und -fruchtbarkeit erhalten und gleichzeitig Treibhausgasemissionen reduziert. Wasserbewirtschaftungsstrategien werden ebenfalls angewandt, während ein angepasstes Futtermittelmanagement in Gebieten mit knappem oder minderwertigem Weideland eine wichtige Rolle spielt.

Das einzelne Mitglied profitiert


Obwohl anfangs viele FPO-Mitglieder skeptisch waren, zeigten sich schnell positive Ergebnisse. Smita Kavitha baut auf ihrem Land Chilis, Erdnüsse, Melonen und Tomaten an. Nachdem sie an Schulungen zu natürlichen Anbaumethoden teilgenommen hat, stellte sie ihren konventionellen Anbau um. Sie begann Neem-Öl zur Schädlingsbekämpfung und Kompost anstelle von Kunstdünger zu verwenden. Bald bemerkte sie eine deutliche Verbesserung: Die Pflanzen waren gesünder, grüner und kräftiger, die Früchte größer und von besserer Qualität. Ein Rückgang des Schädlingsbefalls war zu verzeichnen, den sie auf die gestärkte Immunität der Pflanzen durch den Einsatz von nicht-chemischen Düngemitteln zurückführte. Ihr Ertrag stieg um 15 Prozent im Vergleich zur vorherigen Ernte.

Training zu biologischen Anbaumethoden

„Durch das neu gewonnene Wissen im Rahmen der Climate Smart Villages haben wir gelernt, wie wir unsere Anbaumethoden an den Klimawandel anpassen können. Das hat uns geholfen, unsere Erträge zu steigern und unsere Lebensgrundlage zu sichern“, erläutert Shri Ramulu. Er nahm an einem Schulungsprogramm über biodynamische Kompostierung teil und nutzt seither die Methode bei seinen Mangopflanzen. Auch bei ihm trat eine deutliche Verbesserung bei Wachstum und Ertrag ein. Der Boden wurde reicher und fruchtbarer. Zudem führte er biologische Schädlingsfallen wie Pheromon- und solarbetriebene Lichtfallen ein. Der Bedarf an chemischen Düngemitteln und Pestiziden reduziert sich deutlich. Gleichzeitig stieg der Ernteertrag um 10 Prozent.

Smita Kavitha und Shri Ramulu sind überzeugt: Nur mit Hilfe der neuen Anbaumethoden und in der genossenschaftlichen Organisation ist dies möglich gewesen. Gerade durch die Beteiligung an Climate Smart Villages werden Bäuerinnen und Bauern wie Smita Kavitha und Shri Ramulu befähigt, ihre Ressourcen und ihr Wissen zu teilen und zusammen zu arbeiten um gemeinsam die Lebensgrundlagen der ländlichen Gemeinden verbessern. Letztlich zeigt sich in Indien, dass Genossenschaften als Climate Smart Villages dazu beitragen, eine nachhaltigere Zukunft und widerstandsfähigere Landwirtschaft t für die ländlichen Gemeinden zu schaffen. Gleichzeitig haben sie sich als wichtige lokale Instrumente bei der Reduzierung der Auswirkungen des Klimawandels etabliert.

FPO-Mitglieder bei Schulung einer Farmer Field School beim „Wasserspiel“. Ziel des Spiels ist es, durch eine Menschenkette möglichst viel Wasser von Hand zu Hand in einen großen großen Eimer zu reichen. Ein spielerisches Sinnbild für genossenschaftliches Kooperieren.

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