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Elektronische Rechnungsprozesse


Ein Beitrag der DGRV-Abteilung Steuern für unser Fachmagazin PerspektivePraxis.

Chance und Herausforderung


Unser Leben wird zunehmend elektronischer – diese Entwicklung macht auch vor den Genossenschaften nicht halt. Verschiedenste EDV-Systeme werden eingesetzt, Daten strukturiert erfasst, verarbeitet und ausgewertet; der Geschäftsalltag ist zunehmend digitalisiert. Oft ist dies mit einer deutlichen Arbeitserleichterung im Vergleich zur bisherigen Arbeitsweise verbunden. Informationen sind unkomplizierter verfügbar, beispielsweise in digitalen Akten oder Archiven, dazu kann deren Verarbeitung in vielen Bereichen automatisiert erfolgen. Die Umstellung auf neue elektronische Verfahren ist dabei immer auch eine Chance, die bisherigen Prozesse und Abläufe zu hinterfragen und, soweit nötig, neu aufzustellen – anderenfalls wird schnell aus einem schlechten ana-logen ein schlechter digitaler Prozess. Insbesondere im Bereich der Rechnungslegung haben elektronische Prozesse an Bedeutung gewonnen – keine Genossenschaft wird heute sagen können, dass elektronische Rechnungen sie nicht betreffen. So schicken beispielsweise Telekommunikationsanbieter und Online-Verkäufer Rechnungen per Email oder bieten diese zum Download in Nutzerportalen an. Eine elektronische Rechnung ist zunächst einmal jedes Rechnungsdokument, welches in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird. Dies umfasst beispielsweise Rechnungen als PDF oder Email oder auch Rechnungen, die als Daten im elektronischen Datenaustausch (EDI) übertragen werden. Manchmal werden auch beide Varianten kombiniert, z.B. als PDF-Datei mit eingebettetem Datensatz. Die Erstellung elektronischer Ausgangsrechnungen aus dem Buchführungs- oder Warenwirtschaftssystem ist eine deutliche Arbeitserleichterung für die Unternehmen. Hierbei muss selbstverständlich sichergestellt sein, dass diese Abrechnungen inhaltlich und formal zutreffend erfolgen und gegebenenfalls Voraussetzungen für Steuerbefreiungen geprüft und angegeben werden. So kann bei Steuerbefreiungen im inner-gemeinschaftlichen Warenverkehr die notwendige Prüfung der Umsatzsteueridentifikationsnummer des Kunden auch automatisiert erfolgen und gespeichert werden. Nur eine formal zutreffende Rechnung sichert dem Kunden den Vorsteuerabzug, die Korrektur einer fehlerhaften Rechnung bedeutet für den Rechnungsaussteller zusätzliche Arbeit, die oft vermeidbar wäre. Auch für Kunden bedeutet eine elektronische Rechnung in vielen Fällen eine Entlastung bei der Verarbeitung – vorausgesetzt, die technische Ausstattung ist entsprechend. Grundsätzlich sollen die gleichen Ansprüche an elektronische Rechnungen und Papierrechnungen gestellt werden. Eine Ausnahme hiervon ist in Deutschland die Verpflichtung, dass originär elektronische Dokumente auch elektronisch archiviert werden müssen. Ein reines „Ausdrucken und Abheften“ einer elektronisch empfangenen Rechnung ist somit unzulässig. Die elektronische Rechnung als Buchungsbeleg muss über die gesamte Aufbewahrungsfrist unveränderbar und jederzeit lesbar elektronisch gespeichert werden. Insbesondere die Unveränderbarkeit wird in den meisten Fällen nur über ein elektronisches Archivsystem erfüllbar sein.

Möglichkeiten bei der Rechnungseingangs-
prüfung


Ein besonderes Augenmerk verdient die Rechnungseingangsprüfung, welche im ureigenen Interesse des Unternehmens erfolgen muss. Bei elektronischen Rechnungen sind Stellen im Unternehmen, an denen die Rechnungen eingehen, oft vielfältiger als bei Papierrechnungen, wo es einen standardisierten Posteingangsprozess gibt. Dies erfordert eine bewusste und durchdachte Gestaltung der Rechnungseingangsprozesse. Wie bei Papierrechnungen müssen für den Vorsteuerabzug die umsatzsteuerlichen Kriterien geprüft werden, sowohl materiell als auch formal. Das Gesetz spricht von einem unternehmensindividuellen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung zum Nachweis der Echtheit der Herkunft, der Unversehrtheit des Inhaltes und der Lesbarkeit der Rechnung. Dies bedeutet, dass im Rahmen der materiellen Prüfung die Art und der Umfang der erhaltenen Lieferung bzw. Leistung beispielsweise anhand von Bestellungen zu überprüfen ist, ebenso ob der Rechnungsaussteller als Lieferant oder Dienstleister zutreffend ist. Die formale Prüfung, ob die Rechnung alle Pflichtangaben nach § 14 UStG enthält und rechnerisch korrekt ist, kann bei elektronischen Eingangsrechnungen oft zum Teil automatisiert erfolgen, z. B. über einen Abgleich der Daten des Rechnungsausstellers mit den eigenen Lieferantenstammdaten. Die nunmehr über den EuGH auf den ersten Blick geminderten Ansprüche an die formalen Kriterien einer Rechnung dürfen hier nicht zur Sorglosigkeit verleiten. Nach der neueren EuGH-Rechtsprechung ist eine Rechnungskorrektur, insbesondere hinsichtlich der formalen Aspekte, auch rückwirkend auf den ursprünglichen Abrechnungszeitpunkt hin möglich und nicht erst zu dem Zeitpunkt der Vorlage des korrigierten Rechnungsbeleges, z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung. Damit fällt das bisher bestehende Zinsrisiko durch die zeitliche Verschiebung des Vorsteuerabzugs weg. Voraussetzung ist nach deutscher BFH-Rechtsprechung aber weiterhin, dass zumindest ein als Rechnung zu qualifizierender Beleg vorliegt (weil nur dieser korrigiert oder ergänzt werden kann) und zudem über die materiellen Voraussetzungen keine Zweifel bestehen dürfen. Dieser Nachweis muss ggf. über andere Dokumente wie Lieferscheine erbracht werden können. Daneben ist aber auch aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen nicht nur eine inhaltliche Überprüfung, sondern auch die Kontrolle weiterer Daten not-wendig, weil elektronische Prozesse neue Betrugsmöglichkeiten schaffen. So sollte mit Lieferanten im Voraus geklärt sein, wie z. B. geänderte Bankverbindungen kommuniziert werden sollen und Rechnungen sorgfältig auf den richtigen Absender, die Bankverbindung und zutreffende Schreibweisen von Namen und Adressen überprüft werden. Arbeitsanweisungen zum Umgang mit Stammdatenänderungen, fehlerhaften Rechnungen oder zur Überweisung von höheren Beträgen außerhalb des Tagesgeschäftes können hier den zuständigen Mitarbeitern Sicherheit geben und so das Unternehmen vor unter Umständen folgenschweren weil teuren Fehlern bewahren.

Digitalisierung als Chance sehen


Die Einführung elektronischer Rechnungsprozesse ist eine große Chance für Genossenschaften. Die Durchlaufzeit von Eingangsrechnungen im eigenen Unternehmen kann gemindert werden, durch automatisierte Prüfungen reduzieren sich Fehlerwahrscheinlichkeiten und Steuerrisiken und es ergeben sich Arbeitsentlastungen. Bei elektronischen Ausgangsrechnungen kann durch eine schnellere Bearbeitung beim Kunden oft ein früherer Zahlungseingang verzeichnet werden. Insgesamt ist häufig ein besseres Liquiditätsmanagement möglich. Gleichwohl muss jede Genossenschaft unter Berücksichtigung der Größe, der jeweiligen Geschäftstätigkeit, der technischen Möglichkeiten und Wünsche ihren individuellen Weg zu dem Maß an Digitalisierung finden, der zu dem Unternehmen passt. Hierzu müssen zunächst bestehende Prozesse analysiert und ggf. für die neu aufzusetzenden digitalen Prozesse verändert werden. Die Anforderungen der Finanzverwaltung an elektronische Prozesse, welche sich insbesondere aus dem Umsatzsteuer-recht und den GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) ergeben, müssen hierbei ebenso im Blick behalten werden wie auch potenzielle betriebswirtschaftliche Risiken. Auch die Strukturen und Mechanismen des dies-bezüglichen internen Kontrollsystems werden sich verändern. Erfolgreich werden neue digitale Prozesse immer dann sein, wenn sie auch als Möglichkeit der Optimierung der Unternehmensorganisation gesehen und unter Beachtung der (steuer-)rechtlichen Rahmenbedingungen positiv von allen Beteiligten begleitet werden.

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