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Fairtrade und Genossenschaften


Ein Beitrag von Claudia Brück, Vorstandsmitglied von TransFair e.V., für das DGRV-Fachmagazin PerspektivePraxis.


Transfair e. V. – Fairtrade Deutschland ist Teil des Dachverbands Fairtrade International, dem weitere Marktinitiativen in über 30 Ländern und die demokratisch organisierten Netzwerke der Fairtrade-zertifizierten Produzentinnen und Produzenten in Afrika, Asien und Lateinamerika angehören. Gemeinsames Ziel ist es, eine Welt zu gestalten, in der alle Kleinbäuerinnen und -bauern sowie abhängige Beschäftigte über existenzsichernde Lebensgrundlagen verfügen, ihre Potenziale entfalten und ihre Zukunft selbstbestimmt gestalten können. Über gerechtere Handelsbedingungen, demokratisch verfasste Interessenvertretungen, mehr finanzielle Unterstützung, Weiterbildungsangebote und bessere Marktzugänge können Produzenten aus sogenannten Entwicklungsländern ihre Ziele aus eigener Kraft erreichen.

Nachhaltige Entwicklung


Das Genossenschafts-System ist besonders für vom Weltmarkt benachteiligte Produzenten in Afrika, Lateinamerika und Asien von besonderer Bedeutung. Eine nachhaltige Entwicklung ist nur dort möglich, wo Menschen nicht nur an der Entstehung der Wertschöpfung, sondern auch an deren Verwendung beteiligt sind und wo Globalisierungsvorteile auch bei den Produzenten ankommen. Der genossenschaftliche Zusammenschluss von Kleinproduzenten ermöglicht es, das wirtschaftliche Handeln optimal an den Zielen und Bedürfnissen der eigenen Mitglieder, aber auch an den politischen und kulturellen Gegebenheiten der Region auszurichten. Wichtig ist, dass in jedem Land die Genossenschaften und die sie tragenden Menschen ein eigenes Modell entwickeln, das ihrer Situation entspricht.

Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung – die „drei S“ des genossenschaftlichen Handelns – werden auch im Fairen Handel groß geschrieben. Genossenschaften sind in vielen Ländern wichtige Elemente der Wirtschaft und der Gesellschaft, sie sichern Marktzugänge und Marktpositionen national und international. Fairtrade arbeitet zum großen Teil mit solchen genossenschaftlich organisierten Produzentengruppen: Über 70 Prozent der Fairtrade-Produkte stammen von Kleinbauernorganisationen. Wichtige Produkte wie Kaffee, Kakao oder Baumwolle werden ausschließlich von Fairtrade-zertifizierten Kleinbauernkooperativen bezogen. Gründe für die intensive Zusammenarbeit mit Kleinproduzenten gibt es viele:

Kleinbäuerinnen und -bauern stellen die Mehrheit der ländlichen Bevölkerung in vielen Entwicklungsländern, werden aber durch effektivere, oft nicht umweltverträgliche Plantagen und die Agro-Industrie vom Markt gedrängt. Sie verlieren so oftmals ihre einzige Erwerbsquelle und geraten in die Spirale von Armut und Hunger. Fairtrade unterstützt daher gezielt Kleinbäuerinnen und -bauern, um sie vor unfairem Wettbewerb mit z. B. multinationalen Konzernen zu schützen.

Die Stärkung und Weiterentwicklung von Kooperativen nützt der gesamten lokalen Gemeinschaft. Da die Mitgliedschaft in einer Kooperative langfristig angelegt ist, haben Kleinbäuerinnen
und -bauern die Möglichkeit, auch langfristig von gemeinnützigen Fairtrade-Projekten, Weiterbildungsmaßnahmen und vom Qualitätsmanagement zu profitieren. Nur bei langfristiger Beschäftigung gelingt es, den „empowerment“-Gedanken zu verankern sowie die daraus resultierenden Vorteile auch auf die ganze Gemeinschaft auszudehnen. Dies ist bei ständig wechselnden Wanderarbeitern in vielen Plantagenbetrieben, z. B. bei Kaffeeplantagen, nicht der Fall.

Kleinbäuerliche Landwirtschaft ist laut Weltagrarbericht nachhaltiger als agro-industrielle Landwirtschaft. Sie trägt zum Erhalt der Biodiversität und der Verbesserung der Ernährungssicherheit bei, während Plantagen beides beeinträchtigen können.

Kleinbauern und ihre nationalen und kontinentalen Netzwerke sind Hauptteilhaber von Fairtrade International. Sowohl nach deren Selbstverständnis als auch aufgrund der ISEAL-Anforderungen verfolgt Fairtrade International einen dezidierten „stakeholder-approach“, der den Produzentennetzwerken 50 Prozent Stimmanteil in der Mitgliederversammlung von Fairtrade International überantwortet.

Fairtrade arbeitet eng mit genossenschaftlich organisierten Partnern zusammen. Zu den 34 Mitgliedsorganisationen von Fairtrade Deutschland zählen u. a. der DGRV und die internationale Kreditgenossenschaft Oikocredit. Oikocredit vergibt Kredite und Kapitalbeteiligungen unter anderem an Mikrofinanzorganisationen, Fairtrade-Kooperativen und kleine Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Ein Drittel der Oikocredit-Partner sind Genossenschaften. Insgesamt hat Oikocredit derzeit 456 Millionen Euro an Projektpartner vergeben und ist
damit einer der größten privaten Finanzierer von Entwicklung weltweit. Insgesamt wurden seit Gründung der Organisation 1975 mehr als eine Milliarde Euro an Darlehen vergeben – auch an Fairtrade-zertifizierte Kleinbauernorganisationen.

Beispiel Guatemala


Eine davon ist die „Asociacion Chajulense Va’l Vay Quyol“, kurz „Chajul“, im Hochland von Guatemala. Bereits im Namen dieser Organisation ist das Erfolgsgeheimnis der Kooperative verankert: „Va‘l Vay Quyol“ bedeutet in der Sprache der in Chajul ansässigen Maya „gemeinsam mit einer Stimme“. Bereits 1992 wurde Chajul nach Fairtrade-Standards zertifiziert und ist damit eine der ersten Kaffeekooperativen des Fairtrade-Systems. Von ihren Mitgliedern kauft Chajul hochwertigen Arabica-Hochlandkaffee, verarbeitet und exportiert ihn. Fast 1.500 Kleinbauern bauen auf 1.100 bis 1.800 Metern Höhe den nach Fairtrade- und Biostandards zertifizierten Kaffee in Familienbetrieben an.

Gerade im abgelegenen Hochland Guatemalas ist das gemeinsame Wirtschaften für viele Menschen die einzige Chance, dem Teufelskreis von Armut, Landflucht und Perspektivlosigkeit zu entkommen. Genossenschaften wie Chajul bieten ihren Kleinbauern und deren Familien die Möglichkeit, ihre Entwicklung in die eigenen Hände zu nehmen.

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