Ein Beitrag von WP Dieter Gahlen, Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des DGRV
Am 1. Januar 2022 ist das Gesetz zur Einführung eines Lobbyregisters für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und gegenüber der Bundesregierung (Lobbyregistergesetz – LobbyRG) in Kraft getreten. Anlass des Gesetzes waren wenige, aber öffentlichkeitswirksame Ereignisse unlauterer Interessenvertretung – wie etwa im Fall Wirecard. Sie haben das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Politik und die Legitimität von Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen von Parlament und Regierung beschädigt.
Gegenüber dem Deutschen Bundestag und gegenüber der Bundesregierung gilt es nun bei der Interessenvertretung einen gesetzlich festgelegten Verhaltenskodex zu befolgen. Darüber hinaus besteht bei regelmäßiger Interessenvertretung eine Registrierungspflicht im Lobbyregister. Diese Registrierung ist regelmäßig zu aktualisieren. Nachfolgend wird dargestellt, wer betroffen ist und welche konkreten Anforderungen der Verhaltenskodex bereithält.
Wird eine Interessenvertretung im Sinne von § 1 Abs. 3 LobbyRG gegenüber Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder der Bundesregierung betrieben, liegt ein Anwendungsfall des neuen Gesetzes vor. Mitglieder oder Mitarbeiter der Landesparlamente oder einer Landesregierung sind dann erfasst, wenn über diese – mittelbar – ein Kontakt zu Bundesregierung oder Bundestag mit dem Ziel der Einflussnahme aufgenommen werden soll.
Der Begriff der „Interessenvertretung“ ist gemäß der Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf sehr weit gefasst. Der Gesetzgeber will sicherstellen, dass sämtliche Formen der Interessenvertretung und alle denkbaren Adressaten eingeschlossen werden. Interessenvertretung ist demnach jede Kontaktaufnahme zum Zweck der Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess von Bundestag oder Bundesregierung. Ob das Ziel der Einflussnahme erreicht wird, ist unerheblich.
Dem gewählten Kommunikationskanal, der Art und Weise oder den Umständen der Kontaktaufnahme werden keine Schranken gesetzt. Kontakt kann also auch über Dritte aufgenommen werden. Die Einflussnahme kann offiziell erfolgen, wie zum Beispiel im Rahmen einer Verbändeanhörung vor dem Deutschen Bundestag. Sie kann aber auch „informeller“ Natur sein. Typische Beispiele sind gemeinsame Mittag- oder Abendessen. Erfasst sind sämtliche Formen der Begegnung außerhalb parlamentarischer Abläufe, die dem Überzeugen des Gegenübers von der eigenen Vorstellung oder der Unterstützung des verbandspolitischen oder unternehmenspolitischen Interesses dienen.
Als Kontaktaufnahme gelten beispielsweise die folgenden Fälle:
Folgende Fälle gelten nicht als Kontaktaufnahme:
Sind Mitarbeiter von Verbänden oder Unternehmen beispielsweise gemeinsam mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages in Aufsichtsräten, Beiräten oder Vorständen von Organisationen vertreten, so ist damit keine Kontaktaufnahme im Sinne des Lobbyregistergesetzes verbunden. Etwas anderes ergibt sich, wenn die gemeinsame Mitgliedschaft zum Anlass genommen wird, zum Beispiel in den Sitzungspausen oder kurz nach Ende der Sitzung, entsprechenden Einfluss zu nehmen. Das Gesetz ist anwendbar bei „jeder Kontaktaufnahme zum Zwecke der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme“. Auch hier sind eine Sensibilisierung und ein zum Teil neues Bewusstsein für eine rechtmäßige Interessenvertretung erforderlich.
Jede Organisation, die Interessenvertretung im oben beschriebenen Sinne betreibt, muss einen Verhaltenskodex einhalten. Der Verhaltenskodex gemäß § 5 Absatz 2 LobbyRG enthält – in aller Kürze – folgende wesentlichen Normen einer integren Interessenvertretung:
Über die Frage, wie detailliert etwa das Anliegen bei Kontaktaufnahme beschrieben werden soll, macht das Gesetz keine näheren Angaben. Hier sollte es ausreichen, wenn Thema und Intention in groben Zügen beschrieben werden. Alles Weitere dürfte sich dann im Rahmen des Gesprächs ergeben.
Über die Einhaltung des Verhaltenskodex hinaus unterliegen bestimmte Interessenvertreter einer Registrierungspflicht. Die erste Eintragung musste bereits bis zum 28. Februar 2022 erfolgen. Eine Registrierungspflicht besteht, wenn die Tätigkeit unter eine der folgenden Kategorien gefasst werden kann, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1-4 LobbyRG:
Gemäß dem Handbuch des Deutschen Bundestags ist die Interessenvertretung regelmäßig, wenn sie nicht nur gelegentlicher Natur ist. Es muss also innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu einer wiederkehrenden Kontaktaufnahme gekommen sein. Eine regelmäßige Interessenvertretung dürfte bereits ab der dritten Kontaktaufnahme anzunehmen sein, sofern die folgenden weiteren Punkte zutreffen: es sind weiterhin Kontaktaufnahmen geplant und ihre Anzahl sowie die Abstände zwischen den einzelnen Kontaktaufnahmen suggerieren Regelmäßigkeit. Es geht hier also um die Verstetigung der Interessenvertretung. Auf Dauer angelegt ist die Interessenvertretung auch dann, wenn sie noch nicht regelmäßig betrieben wird, jedoch das Ziel einer dauerhaften Interessenvertretung verfolgt wird
Auch genossenschaftliche Unternehmen können unter diese Registrierungsregelungen fallen, wenn sie außerhalb der Verbände und im eigenen Namen Interessenvertretung betreiben. Soweit eine Registrierungspflicht besteht, muss die Registrierung aktiv mit dem Registrierungsinhalt nach § 3 Abs. 1 LobbyRG erfolgen und regelmäßig aktualisiert werden. Darüber hinaus ist auch eine freiwillige Registrierung möglich.
Verstöße gegen den Verhaltenskodex werden mit einer Veröffentlichung im Register geahndet. Diese wird nach Ablauf von 24 Monaten wieder gelöscht. Weigerung, Unvollständigkeit, Unwahrheit oder Verspätung bei der Eintragung in das Lobbyregister wird als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis 50.000 Euro und bei Fahrlässigkeit mit bis zu 20.000 Euro geahndet. Dies gilt auch für eine fehlende Aktualisierung gemäß § 3 Abs. 3 LobbyRG.
Der Genossenschaftliche Verbund begrüßt die Einführung der neuen Regelungen. Es bleibt zu hoffen, dass hiermit die allgemeine Wahrnehmung von Interessenvertretung wieder positiv besetzt wird. Schließlich können Parlament und Regierung nur durch eine seriöse Interessenvertretung kompetent in den Angelegenheiten der Genossenschaften beraten werden. Es bleibt festzuhalten: Ohne die fachliche Expertise von Verbänden und den dort organisierten Mitgliedern wäre eine fachlich fundierte Arbeit von Parlament und Regierung nicht denkbar, insbesondere in den fachlich oftmals sehr speziellen Fragestellungen. Diese für die parlamentarische Arbeit notwendige wie hilfreiche Funktion von Interessenvertretung muss wieder das Bild in der Öffentlichkeit prägen.