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Nachhaltigkeitsberichterstattung – Erste Lichtblicke im Berichtspflichtendickicht


Ein Beitrag von Daria Babicheva und Sylvia Bitterwolf, Referentinnen Abteilung Grundsatzfragen des DGRV (Ausgabe 3/2025)


Nachdem in den letzten Jahren in Europa in zeitlich kurzer Taktung diverse äußerst umfangreiche Berichtsvorschriften zur Nachhaltigkeit erlassen wurden – zu denken ist hier insbesondere an die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) i.V.m. mit den Europäischen Nachhhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) und die Berichtspflichten nach der Taxonomie-Verordnung – hat sich der Wind in Europa gedreht. Mit der Budapester Erklärung im November 2024 bekundete der Europäische Rat den politischen Willen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Ein wesentlicher Punkt daraus war die „Einleitung eines revolutionären Vereinfachungsprozesses, der für einen klaren, einfachen und intelligenten Regelungsrahmen für Unternehmen sorgt und den Verwaltungs-, Regulierungs- und Meldeaufwand, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), drastisch verringert.“ Am 26. Februar 2025 legte die Kommission als Reaktion auf diese Aufforderung ihre ersten zwei „Omnibus“-Pakete vor, die darauf abzielen, die bestehenden Rechtsvorschriften in den Bereichen Nachhaltigkeit bzw. Investitionen zu vereinfachen. Im Folgenden werden die vorgesehenen Erleichterungen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung näher beleuchtet

Fast Lane: „Stop-the-clock“


Im Rahmen einer sog. „Fast Lane“ soll gemäß dem Vorschlag der EU-Kommission zunächst die Uhr für CSRD-berichtspflichtige Unternehmen¹ angehalten werden („Stop-the-clock“). Dies soll verhindern, dass berichtspflichtigen Unternehmen unnötige und vermeidbare Kosten für den Zeitraum entstehen, da im Rahmen der sog. „Slow Lane“ die Nachhaltigkeitsberichterstattungspflichten grundlegend überarbeitet werden

Der Vorschlag sieht vor, dass große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Beschäftigten (sog. erste Welle) zur CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet bleiben, die erstmals – sofern national umgesetzt – für das Geschäftsjahr 2024 zu erfolgen hatte. Da die CSRD in Deutschland noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden ist, besteht für das Geschäftsjahr 2024 die bisherige Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung fort. Für die übrigen großen Unternehmen (sog. zweite Welle – hierunter fallen u.a. handelsrechtlich große Kreditgenossenschaften, die im handelsrechtlichen Sinn als „groß“ gelten und kein kleines und nichtkomplexes Institut (SNCI) sind oder die einen Konzernabschluss aufstellen müssen) und kapitalmarktorientierte KMU (sog. dritte Welle – u.a. handelsrechtliche große Kreditgenossenschaften, die aufsichtsrechtlich SNCI sind und keinen Konzernabschluss aufstellen  müssen), die nach aktueller Rechtslage der CSRD ab dem Geschäftsjahr 2025 bzw. 2026 neu berichtspflichtig werden, soll sich hingegen der Beginn der Nachhaltigkeitsberichtspflichten um jeweils zwei Jahre verschieben (also auf Geschäftsjahr 2027 bzw. 2028)

Die vorgenannten Vorschläge wurden angenommen und über die EU-Richtlinie 2025/794 (sog. „Stop-the-Clock“-Richtlinie) im EU-Amtsblatt vom 16.04.2025 veröffentlicht. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Richtlinie bis zum 31. Dezember 2025 in nationales Recht umzusetzen.

¹Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften i.S.d. § 264a HGB, Kreditgenossenschaften werden wie Kapitalgesellschaften behandelt.

Slow Lane: Änderungen an der CSRD/ESRS und den Berichtspflichten zur Taxonomie-Verordnung


Im Rahmen der sog. „Slow Lane“ sollen der Anwenderkreis und die Inhalte der CSRD-Berichterstattung und der Anwenderkreis der TaxonomieVO-Berichterstattung neu verhandelt werden. Nachfolgend ein kurzer Überblick zu den wesentlichsten Vorschlägen:

Veränderung des Anwendungsbereichs

In den persönlichen Anwendungsbereich der CSRD sollen künftig nur noch große Unternehmen und große Konzerne fallen, bei denen die Mitarbeiteranzahl im Jahresdurchschnitt die Grenze von 1.000 Mitarbeitern übersteigt. Monetäre Kriterien (Umsatz von mehr als EUR 50 Mio. und Bilanzsumme von mehr als EUR 25 Mio.), die in der CSRD in der Fassung vom 14. Dezember 2022 enthalten sind, wurden zunächst nicht angepasst. Ferner wurde im Vorschlag der EU-KOM das Kriterium der Kapitalmarktorientierung bei der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs gestrichen. Durch das Hochsetzen der Mitarbeiterzahl wird nach Schätzungen der EU-Kommission der Anwenderkreis um ca. 80% verringert.

Freiwillige Berichtsstandards für kleinere Unternehmen (sog. VSME)

Für Unternehmen, die nicht mehr in den Anwendungsbereich der CSRD fallen (bis zu 1.000 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt), will die EU-Kommission auf dem Wege eines delegierten Rechtsakts einen Standard für eine freiwillige Berichterstattung annehmen, der auf dem von der EFRAG entwickelten Standard für KMU (Voluntary Standards for SMEs, VSME) basiert. Dieser Standard soll gleichzeitig auch als „Schutzschild“ dienen, indem die Informationen auf diesen Standard eingeschränkt werden, die berichtspflichtige Unternehmen von nicht-berichtspflichtigen Unternehmen in ihrer Wertschöpfungskette anfordern können („Wertschöpfungs-Obergrenze“).

Wegfall sektorspezifischer Standards sowie des Standards für kapitalmarktorientierte KMU

Sektorspezifische ESRS und ein Standard für die Berichterstattung von kapitalmarktorientierten KMU (sog. LSME ESRS) sind nicht länger vorgesehen.

Anpassung des Sicherheitsniveaus für die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts

In ihrem Vorschlag hat die EU-Kommission Abstand davon genommen, die Prüfungsintensität für die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts von der beschränkten auf die hinreichende Sicherheit zu erhöhen. Damit werden auch die Prüfungsstandards, die für eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit notwendig gewesen wären, nicht mehr verabschiedet.

Ferner enthält der Vorschlag der EU-Kommission keine Zeitvorgabe mehr für die Verabschiedung der Prüfungsstandards für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zunächst sollen bis Ende 2026 Leitlinien für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erlassen werden.

Überarbeitung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS)

Die EU-Kommission hat zugesagt, den delegierten Rechtsakt zur Einrichtung des ESRS (Set 1 oder Full-ESRS) zu überarbeiten. Die EFRAG wurde durch die EU-Kommission mit Schreiben vom 27. März 2025 bereits mit der Überarbeitung beauftragt und aufgefordert, diese bis zum 31. Oktober 2025 vorzulegen. Der mittlerweile veröffentlichte Arbeitsplan der EFRAG sieht vor, bis Ende Juli die Konsultationsentwürfe (Exposure Drafts) zur Vereinfachung des ESRS Set 1 zu erarbeiten. Im Anschluss ist eine öffentliche Konsultation der Entwürfe im Sommer 2025 geplant. Die Vereinfachungsvorschläge sollen dann als fachliche Empfehlungen der EU-Kommission vorgelegt werden.

Änderungen in der Berichterstattung nach Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung

Für Unternehmen, die in den künftigen persönlichen Anwendungsbereich der CSRD fallen (d.h. mit mehr als 1.000 Mitarbeitern) und einen jährlichen Nettoumsatz von nicht mehr als 450 Mio. EUR haben, wird eine freiwillige Taxonomie-Berichterstattung vorgeschlagen.

Ferner wird u.a. vorgeschlagen, die Berechnungsmethodik der von den Banken zu berichtenden Green Asset Ratio (kurz GAR) dahingehend anzupassen, dass Risikopositionen gegenüber nicht-berichtspflichtigen Unternehmen aus dem Nenner der GAR ausgeschlossen werden. Weitere Vorschläge beinhalten z.B. eine Vereinfachung der Meldebögen, die Einführung eines Wesentlichkeitsgrundsatzes sowie eine Vereinfachung hinsichtlich der DNSH (Do No Significant Harm)-Kriterien.

Weiteres Verfahren


Hierbei ist zu beachten, dass bevor die vorgenannten Vorschläge zur Vereinfachung auch tatsächlich wirksam werden, diese erst noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen müssen. In welchem Umfang und wie schnell die EU-Kommission diese Änderungen umsetzen wird, ist momentan nicht absehbar.

 

Fazit


Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung, um unnötige Bürokratielasten insbesondere von KMU zu nehmen. Allerdings sind noch weitere bürokratische Entlastungen in diesem Zusammenhang erforderlich wie bspw. eine konsequente Angleichung des Anwendungsbereichs der CSRD an die CSDDD (Europäische Lieferkettenrichtlinie), Verzicht auf das ESEF-Format, Klarstellung des Konsolidierungskreises und die Analyse von Kosten-Nutzen-Aspekten, die stets am Anfang eines Gesetzgebungsverfahrens stehen muss. Zudem ist die aktuelle Vorgehensweise zur Bearbeitung der Full-ESRS viel zu komplex und nicht leserfreundlich. Daher ist eine komplette Überarbeitung und Neustrukturierung der ESRS notwendig– mit dem klaren Ziel einer deutlichen Vereinfachung und Straffung. Nur so können unleserliche Datenfriedhöfe verhindert und Unternehmen wirklich entlastet werden.

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