Ein Beitrag von Jan Holthaus, Rechtsanwalt und Syndikusrechtsanwalt, Abteilungsleiter Recht Beratung beim DGRV, für unser Fachmagazin PerspektivePraxis.
Das Genossenschaftswesen bietet umfassende Kontrollinstanzen. Diese reichen von den Gremien innerhalb der Genossenschaft über die Satzung bis hin zur Prüfung durch den Prüfungsverband. Doch durch vereinzelte Fälle von Insolvenzen und Betrug wird derzeit in der Politik diskutiert, ob die bestehenden Kontrollinstanzen reichen oder durch verschärfte Anforderungen und staatliche Aufsicht nachgebessert werden muss. Wir widmen uns der Frage, ob die bestehende Kontrolle ergänzt werden sollte.
Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG) gilt als besonders vertrauenswürdig. Grund hierfür sind u. a. die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den zuständigen Prüfungsverband. Dies erlaubt der eG Erleichterungen bei der Hereinnahme von Geldern der Mitglieder. Diese Erleichterungen machen die Unternehmensform leider auch attraktiv für genossenschaftsferne Vorhaben. Einzelfälle, in denen die eG als Organisationsform zum Betrug missbraucht wurde, sind in letzter Zeit publik geworden. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wohnungsgenossenschaft EVENTUS eG aus Stuttgart ist ein prominenter Fall. Diese Einzelfälle führen in Politik und Gesellschaft vermehrt zum Ruf nach mehr Kontrolle und Aufsicht.
Im Kontrast dazu wurde am 17. Juni 2017 durch das Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften (GenGNovelle 2017) die vereinfachte Prüfung als Teil des genossenschaftlichen Prüfungssystems eingeführt. Der Ruf nach mehr Kontrolle einerseits und der Wunsch nach einer vereinfachten Prüfung andererseits bilden das Spannungsfeld der derzeitigen Diskussion. Im Folgenden werden die bestehenden Kontrollmechanismen sowohl der staatlichen Instanzen als auch der genossenschaftlichen Prüfungsverbände aufgezeigt.
Auf Antrag der obersten Landesbehörde, in deren Gebiet die eG ihren Sitz hat, kann eine eG durch Landgerichtsurteil aufgelöst werden, wenn sich ihr Zweck nicht auf die Förderung der Mitglieder richtet. Neben der obersten Landesbehörde kann auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eingreifen, wenn sich aus dem Prüfungsbericht des Prüfungsverbands Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die geprüfte eG keinen zulässigen Förderzweck verfolgt, sondern ihr Vermögen gemäß einer festgelegten Anlagestrategie investiert, so dass ein Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs vorliegen könnte. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die BaFin u. a. Auflagen erlassen oder auch Straf und Bußgeldvorschriften durchsetzen. Grundsätzlich gilt aber, dass der Förderzweck eine für ein Investmentvermögen typische Anlagestrategie ausschließt.
Von Maßnahmen gegen die eG sind Maßnahmen gegen den zuständigen Prüfungsverband zu trennen. Die oberste Landesbehörde, in deren Gebiet der Prüfungsverband seinen Sitz hat, führt die Staatsaufsicht über den Verband. Diese Behörde kann die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass der Verband die ihm nach Genossenschaftsgesetz obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Die behördlichen Maßnahmen reichen von der Auskunft über die Erfüllung der Aufgaben bis hin zur Untersuchung konkreter Fälle. Die Staatsaufsicht kann vom Verband regelmäßige Berichte nach festgelegten Kriterien sowie die Einsicht in Prüfungsberichte verlangen oder an der Mitgliederversammlung des Verbands teilnehmen.
Die Überwachung der Einhaltung des Förderzwecks obliegt dem jeweils zuständigen genossenschaftlichen Prüfungsverband. Die Kontrolle durch den Prüfungsverband erfolgt bei der Gründung der eG sowie bei der regelmäßig stattfindenden Pflichtprüfung. Der Förderzweck wird in § 1 Abs. 1 GenG als Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft der Genossenschaftsmitglieder oder deren sozialer oder kultureller Belange durch gemeinsamen Geschäftsbetrieb bestimmt. Er kann je nach Unternehmensbereich ganz unterschiedlicher Natur sein und wird in der Satzung der eG festgelegt. Die Pflichtmitgliedschaft in einem Prüfungsverband gewährleistet die regelmäßige Überprüfung des Förderzwecks jeder eG.
Der Prüfer betreut die eG über einen langen Zeitraum. Dennoch ist die Pflichtprüfung nicht auf die Aufdeckung von unseriösem Geschäftsgebaren ausgerichtet. Falls der Prüfer Indizien für Förderzweckverstöße der eG feststellt, kann er im Fall der Gründungsprüfung ein positives Gründungsgutachten verweigern und im Fall einer bestehenden eG bei dauerhaften Verstößen den Ausschluss aus dem Prüfungsverband veranlassen.
Die bestehenden Mechanismen der Kontrolle und Aufsicht der eG sind bereits jetzt engmaschig. Die Kontrolle der staatlichen Instanzen und die der genossenschaftlichen Prüfungsverbände greifen nahtlos ineinander. Es reicht daher aus, das gesetzliche Instrumentarium auszuschöpfen; erweitert werden muss es nicht.