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Koalitionsvertrag


Neue Energie aus Berlin und Meseberg?

12. April 2018


Der Koalitionsvertrag wurde Monate nach der Wahl am 12. März 2018 unterzeichnet und bildet damit die Grundlage für die deutsche Energie- und Klimapolitik bis 2021. Die erste Kabinettsklausur in Meseberg vom 10. bis 11. April 2018 hat bis auf Bekenntnisse zur Erreichung der 2030-Klimaschutzziele und der Festlegung der Führung der Kohleausstiegs-Kommission durch den Wirtschaftsminister, die Umweltministerin, den Arbeitsminister und den Innenminister keine Konkretisierungen der Umsetzung der Energie- und Klimapolitikpläne ergeben.

Sehr erfreulich ist, dass der Koalitionsvertrag im Wirtschaftsteil die Genossenschaften und damit auch die Energiegenossenschaften generell als nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform stärken möchte.

Allgemein


Der Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) am Bruttostromverbrauch soll bis 2030 auf 65% erhöht werden. Dies ist eine Erhöhung von ungefähr 15% im Vergleich zum aktuellen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dieses neue Ziel ist zum einen eine Maßnahme zum Erreichen der Klimaziele und zum anderen bildet es die Grundlage für mehr geschäftliche Tätigkeiten der (Energie-)Genossenschaften im EE-Sektor. Technologieübergreifend soll in dieser Legislaturperiode eine bundeseinheitliche Regelung eingeführt werden, die beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien die Standortgemeinden stärker an der Wertschöpfung von EE-Anlagen beteiligt und die Möglichkeiten einer Projektbeteiligung von Bürgern verbessert. Noch gibt es keine konkreten Hinweise, wie die Regelungen aussehen und die Energiegenossenschaften darin konkret eingebunden werden sollen.

Solarstrom


Im Bereich der Photovoltaik (PV) sollen Sonderausschreibungen durchgeführt werden, so dass es zusätzlich zwei GW Zubau jeweils in 2019 und 2020 gibt. Wenn der Koalitionsvertrag wirklich „Zubau“ meint, muss das Zusatzvolumen schon in diesem Jahr ausgeschrieben werden. Ob diese Maßnahme wieder die Teilnahme der Energiegenossenschaften am Markt der großen PV-Anlagen ermöglicht, bleibt abzuwarten. Denn in den ersten vier Ausschreibungsrunden gab es 11 direkte Gebote und 2 direkte Zuschläge von Energiegenossenschaften. Wohingegen es in den letzten sechs Runden keine direkten Gebote mehr gab. Ungleiche Marktbedingungen bei den PV-Ausschreibungen können nur ausgeglichen werden, wenn es separate Ausschreibungen für kleine Marktakteure und Anlagen gibt. Zudem müssen die Planungsrisikokosten in Form eines pauschalisierten Aufwendungsersatzes bei Misserfolg ersetzt und die de-minimis-Grenze laut europäischen Umweltbeihilfeleitlinien auf einen MW erhöht werden.

Auch das Thema „Mieterstrom“ greift der Koalitionsvertrag auf. Die bestehenden Vorschriften sollen optimiert werden, indem der Verlust der tradierten gewerbesteuerlichen Behandlung von Wohnungsbaugenossenschaften vermieden wird. Die geplante Beseitigung der gewerbesteuerlichen Hemmnisse würde ein Hindernis aber nicht alle Hindernisse einer stärkeren Verbreitung von Mieterstromprojekten beseitigen. So bleibt u.a. das steuerliche Hemmnis im Körperschaftssteuergesetz für die mehrheitlich steuerbefreiten Vermietungsgenossenschaften weiterhin erhalten.

Windenergie


Bei der Windenergie an Land soll es dieselben Sonderausschreibungen wie bei der PV geben. Außerdem sollen eine bessere regionale Steuerung und ein Mindestanteil über alle Erzeugungsarten südlich des Netzengpassgebiets hinweg eingeführt werden. Zukünftig sollen nur noch Projekte mit Bundesimmissionsschutzgenehmigung an Ausschreibungen teilnehmen dürfen. Ferner soll die Akteursvielfalt sichergestellt werden. Der Erhalt der Akteursvielfalt und damit auch die Teilnahme von Energiegenossenschaften an allen (Erneuerbaren-)Energiemärkten sind essentiell für die deutsche Energiewende, weil nur so die Menschen vor Ort aktiv in die Energiewende einbezogen zur Akzeptanz der Energiewende beitragen können.

Stromnetzbetrieb


Auch für genossenschaftliche Stromnetzbetreiber enthält der Koalitionsvertrag einige interessante energiepolitische Pläne. So soll zur Optimierung des Bestandsnetzes und zum schnelleren Ausbau der Stromnetze ein ambitionierter Maßnahmenplan erarbeitet werden. Außerdem sollen ökonomische Anreize für eine Optimierung der Netze geschaffen werden. Der Regulierungsrahmen im Bereich der Verteilnetze soll weiterentwickelt werden, um Investitionen in intelligente Lösungen anzureizen. Ferner soll die schon länger diskutierte Reformierung der Netzentgelte auf Verteilnetzebene in der laufenden Legislaturperiode umgesetzt werden. Durch die Reform sollen die Kosten verursachergerecht und unter angemessener Berücksichtigung der Netzdienlichkeit verteilt werden und bei Stromverbrauchern unter Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit mehr Flexibilität ermöglichen. Eine Änderung der Netzentgelte bietet sowohl Chancen als auch Risiken. So könnten die Netzkosten regional gerechter verteilt aber auch dezentrale EE-Projekte wirtschaftlich schlechter gestellt werden.

Bioenergie


Der Bestand von Bioenergieanlagen soll im Zuge der Ausschreibungen weiterentwickelt werden. Die Reststoffverwertung verstärkt und der Einsatz von Blühpflanzen erhöht werden. Bei diesen Maßnahmen bleibt abzuwarten, ob dadurch ein großer Teil des Biogasanlagenbestandes auch über die 20-jährige EEG-Vergütungszeit hinaus erhalten bleibt. Wenn dies nicht gelingt, geht ein großes Wärmepotential für neue genossenschaftliche Nahwärmeprojekte verloren.

Energieeffizienz


Fördermittel im Bereich der Energieeffizienz sollen auf dem derzeitigen Niveau weiter fortgeführt werden. Eine Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen kann auch für Energiegenossenschaften unternehmerisch interessant sein, insofern auch die Genossenschaft von den Förderprogrammen profitieren kann.

Elektromobilität


Die Elektromobilität soll durch eine Vielzahl von Maßnahmen gefördert werden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Bündel an vielen kleinen Maßnahmen Deutschland in seinen Klimazielen im Verkehrssektor voranbringt. In jedem Fall sind es interessante Möglichkeiten, mit denen auch Energiegenossenschaften zukünftig verstärkt Elektromobilitätsprojekte umsetzen können. Bestehende Förderkulissen sollen, wo erforderlich, über 2020 hinaus aufgestockt und ergänzt werden. Der Koalitionsvertrag sieht bis 2020 vor, dass mindestens 100.000 zusätzliche Ladepunkte und davon mindestens ein Drittel Schnellladesäulen (DC) geschaffen werden sollen. Zudem sollen gesetzliche Bedingungen für benutzerfreundliche Bezahlsysteme eingeführt werden. Außerdem soll die Förderung für die Umrüstung und Anschaffung von E-Carsharing verstetigt werden. Ferner wäre es sinnvoll, wenn E-Autos bidirektionales Laden ermöglichen, weil nur so die Batterie als Speicher dienen kann.

Fazit


Der Koalitionsvertrag enthält noch viele unkonkrete Pläne, die es in den kommenden 2 ½ Jahren positiv für (Energie-)Genossenschaften auszugestalten gilt. Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV wird diese Aufgabe – gemeinsam mit den genossenschaftlichen Regionalverbänden – in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Sobald die Pläne in Gesetzestext gegossen sind und sich daraus konkrete unternehmerische Handlungsempfehlungen ableiten lassen, werden die Genossenschaftsverbände die (Energie-)Genossenschaften und genossenschaftlichen Netzbetreiber in ihren Verbandsgebiet als betreuende Verbände darüber informieren und beraten.

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