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Soziale Strukturen weltweit fördern


Parlamentarischer Abend der Arbeitsgemeinschaft für Sozialstrukturförderung mit Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze


Bildnachweis: Swen Siewert

Am 05. Juni 2024 folgten rund 100 Gäste der Einladung von DGRV und elf weiteren Organisationen der Sozialstrukturförderung (SSF) zu einem Parlamentarischen Abend. Unter dem Motto „Kaum bekannt. Oft genutzt. Soziale Strukturen für gesellschaftliche Herausforderungen weltweit“ wurde das Schlaglicht auf die internationale Entwicklungsarbeit der Veranstalter gelegt. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze.

Sozialstrukturförderung und Entwicklungs-
zusammenarbeit


Bildnachweis: Swen Siewert

Ob Rettungsdienst, Kindergarten oder Energiegenossenschaft, viele Menschen nutzen in ihrem Alltag Angebote, die auf Sozialstrukturen basieren und selbstverständlich erscheinen. Doch es braucht jemanden, der diese Strukturen aufbaut und pflegt, dahinter stehen oft Verbände oder Hilfsorganisationen – sogenannte Sozialstrukturträger. Diese seien nicht weniger als „gelebte Solidarität“, so die Ministerin in ihrer Eröffnungs-Keynote.

„Wir alle kennen die wertvolle Arbeit von großen zivilgesellschaftlichen Trägerorganisationen hierzulande: Hunderttausende Menschen deutschlandweit bilden sich in Volkshochschulen weiter. Eltern bringen ihre Kinder in AWO-Kitas und lassen ihre Eltern in Caritas Pflegeheimen versorgen. Deutsche Genossenschaften und Volksbanken erreichen Millionen von Menschen, gerade auch im ländlichen Raum“,

so Schulze weiter. Es sei wichtig, dieses Können und Wissen auch mit Partnerorganisationen weltweit zu teilen und gemeinsam Projekte zu entwickeln, die insbesondere das Leben der Menschen im globalen Süden verbesserten.

Als Beispiel für nachhaltige Hilfe gegen Hunger und Armut brachte Schulze die Geschichte einer 62-jährigen kolumbianischen Landwirtin, die durch ihre Teilnahme an Managementtrainings in Kooperation mit dem DGRV in der Lage war, ihren Verein zu einer Genossenschaft weiterzuentwickeln und dort den Vorsitz zu übernehmen.

„Die Genossenschaft beliefert mittlerweile öffentliche und private Einrichtungen mit landwirtschaftlichen Produkten und damit auch Schulspeisungsprogramme. Die Mitglieder der Genossenschaft verkaufen jetzt mehr und unterstützen ihre Familien besser“,

erklärt Schulze die weitreichenden positiven Folgen, für die Mitglieder und die ganze Region.

Weitere Parallelen zwischen der genossenschaftlichen Idee – Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung- und dem entwicklungspolitischen Ansatz Ihres Ministeriums wurden deutlich, als Schulze die drei „V“ als Leitplanken für Entwicklungsprojekte beschrieb:

„Verantwortung, Vernetzung und Verankerung.“

Verantwortung meine, dass benachteiligte Menschen in ihren eigenen Initiativen dabei unterstützt würden, sich zu organisieren, sich gesellschaftlich zu beteiligen und sich selbst Perspektiven zu schaffen. Vernetzung sei wichtig, damit sich lokale Initiativen zu größeren Organisationen zusammenschließen, um so gemeinsam leistungsfähiger, professioneller und schlagkräftiger gegenüber Öffentlichkeit und Politik zu werden und ihre Rahmenbedingungen zu verbessern, so Schulze. Die Verankerung der aufgebauten Sozialstrukturen sei wiederum die beste Krisenprävention, denn soziale Organisationen stärkten das Vertrauen der Menschen untereinander, machen Gesellschaften widerstandsfähig und wehrhaft, resümierte die Ministerin

Entwicklungsprojekte des DGRV


Soziale Strukturen, wie sie auch durch Genossenschaften geschaffen werden, tragen zur nachhaltigen Stabilisierung einer Gesellschaft bei und machen sie resilienter. Diese praktische Erfahrung bildet seit langer Zeit das Fundament der Entwicklungszusammenarbeit des DGRV. Wir teilen unsere spezifische Expertise mit Partnern weltweit mit dem Ziel, Rahmenbedingungen für Genossenschaften in unseren Projektregionen systematisch zu verbessern.

Bildnachweis: Swen Siewert

Um diese wichtige Arbeit weiterhin leisten zu können, brauchen der DGRV und alle weiteren elf Träger der Sozialstrukturförderung in Deutschland stabile Rahmenbedingungen und Planungssicherheit. So gefährden schwankende Mittelzuweisungen oder dauerhafte Kürzungen des Haushaltstitels laufende Projekte. Langfristiger und nachhaltiger Auf- bzw. Ausbau von Sozialstrukturen würde erschwert. Auf dem Parlamentarischen Abend hörten Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeitenden anhand konkreter Beispiele aus verschiedenen Teilen der Welt sehr deutlich den Appell, für Stabilität im Fördertitel der Sozialstrukturförderung im BMZ zu sorgen.

Im Zuge dessen teilte unsere Kollegin Camila Japp ihre Erfahrungen, die sie als Projektleiterin in Brasilien sammelt. Sie berichtete, wie der DGRV als Fachorganisation auf Augenhöhe über verlässliche Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Genossenschaftssektor sich hohe Akzeptanz erworben habe. Ihr Beispiel der Austausch mit dem nationalen Dachverband der Genossenschaften in Brasilien (OCB).

„Die lokalen Partnerschaften spielen eine entscheidende Rolle, da sie nicht nur die Erreichung der Projektziele sicherstellen, sondern auch, dass die Partner die gesamten Anstrengungen und Erkenntnisse aus den Projekten aufnehmen und verinnerlichen, was wiederum die Nachhaltigkeit des Sektors sichert“, so Japp.

Nachhaltige genossenschaftliche Strukturen im Finanz- und Energiesektor zu entwickeln, sei aber ein Prozess auf mehreren Ebenen. Angemessene rechtliche und politische Rahmenbedingungen seien dafür entscheidend. Hier zeichneten sich mit dem Regierungswechsel ein wichtiger Erfolg ab, denn es wurden zum Beispiel Energiegenossenschaften in die neue gesetzliche Regulierung eingebunden:

„Die neue Regierung ist interessiert an einer gerechten Energiewende, die auch die Leute in den ärmsten Regionen mitnimmt“.

Dies sind zwar gute Voraussetzungen, aber der Weg zu einer erfolgreichen Energiewende in Brasilien ist für unsere Partner dadurch noch nicht geebnet.

In diesem Zusammenhang kündigte unsere Kollegin das „Lateinamerikanische Forum für Energiegenossenschaften“ an. Mit dem Forum, das im September 2024 in Brasilien stattfindet, wollen wir eine Plattform für relevante Akteure in Lateinamerika schaffen: Energiegenossenschaften, die ihre Erfahrungen austauschen, Regulierungsbehörden, die ihre Visionen für die Zukunft darlegen, Förderorganisationen, die Herausforderungen beleuchten und Finanzinstitutionen, die ihre innovativen nachhaltigen Produkte vorstellen.

Im Anschluss an das Forum ist ein Treffen der politischen Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden für Energiegenossenschaften Lateinamerikas geplant:

„Ein von uns erstelltes Diskussionspapier, das die regulatorischen Rahmenbedingungen für die gemeinschaftliche Erzeugung von Bürgerenergie untersucht, wird den Auftakt für die Gespräche geben und als Grundlage für den Dialog dienen. Dies soll der Beginn eines Dialogs zwischen den Regulierern in Lateinamerika sein, der die Energiezukunft gestalten wird“, so Japp.

Anhand der Fortschritte im Aufbau genossenschaftlicher Strukturen, die wir in mittlerweile rund 25 Jahren Projektarbeit in Brasilien machen konnten, hob unsere Kollegin auch noch einmal einen besonders wichtigen Faktor hervor, der wiederum an die Kernbotschaft der Veranstaltung anknüpfte: Strukturaufbau brauche Zeit und Ressourcen. Angefangen bei der Arbeit mit Pilotgenossenschaften bis zur Regierungsebene und internationalen Vernetzung, dies sei ohne langfristige Planung und genügend Zeit zur Umsetzung nicht möglich.

Bildnachweis: Swen Siewert

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