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Novellierung des Genossenschaftsgesetzes


Ein Beitrag von Dr. Eckhard Ott, Vorstandsvorsitzender des DGRV, für unser Fachmagazin PerspektivePraxis.


Der Gesetzgeber hat das Genossenschaftsrecht praxisgerecht modernisiert und für Neuerungen der digitalen Kommunikation geöffnet. Den Änderungen ging eine langjährige Fachdiskussion voraus, die mit der Annahme des „Gesetzes zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften“ durch den Bundesrat am 7. Juli 2017 erfolgreich abgeschlossen wurde. Die Veränderungen im Genossenschaftsgesetz (GenG) sind am Tag nach der Verkündigung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten. Die insgesamt 33 Änderungen des GenG entfallen auf vier Bereiche: Neuerungen der genossenschaftlichen Ab-schlussprüfung, Erleichterungen der Finanzierung und Verwaltung von Genossenschaften, insbesondere durch Nutzung digitaler Kommunikationsmittel, ferner Verbesserungen des Mitglieder-schutzes sowie weitere kleinere Anpassungen. Der nachfolgende Überblick stellt die wesentlichen Neuerungen kurz dar.

Genossenschaftliche Prüfung


Die Große Koalition hatte sich zum Ziel gesetzt, Erleichterungen für unternehmerische Initiativen des bürgerschaftlichen Engagements (z. B. Dorfläden, Kitas) im Vereins- oder Genossenschaftsrecht zu schaffen. Beides wurde schließlich erreicht. Die ursprünglich vorgesehene Öffnung des Vereinsrechts konnte nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2017 zum sogenannten Nebenzweckprivileg von Idealvereinen entfallen. Seiher können z. B. Dorfläden, die einen ideellen Hauptzweck verfolgen, nicht primär auf die Erzielung und Aus-schüttung von Gewinnen orientiert sind, als Idealverein (e. V.) Rechtsfähigkeit erlangen. Zudem senkt der Gesetzgeber den Prüfungsaufwand für genossenschaftliche Kleinstunternehmen, ohne das bewährte genossenschaftliche Prüfungssystem als solches in Frage zu stellen. Zu diesem Zweck beschränkt die neue „vereinfachte Prüfung“ nach § 53a GenG jede zweite Prüfung auf die Durchsicht festgelegter Abschlussunterlagen, die auf Anforderung des Prüfungsverbands in Textform (z. B. per E-Mail) einzureichen sind. Unter diese Erleichterung fallen Kleinstgenossenschaften gemäß § 336 Abs. 2 Satz 3 HGB. Die Generalversammlung kann jederzeit eine voll-ständige genossenschaftliche Prüfung verlangen, ebenso der Prüfungsverband, wenn die zugelieferten Unterlagen unvollständig sind. In Kombination mit dem zweijährigen Prüfungsturnus (§ 53 Abs. 1 GenG) findet nur noch alle vier Jahre eine Prüfung vor Ort statt. Darüber hinaus wurden die Schwellenwerte für die Befreiung von der Jahresabschlussprüfung nach § 53 Abs. 2 GenG auf 1,5 Millionen Euro Bilanzsumme und drei Millionen Euro Umsatzerlöse angehoben. Im Hinblick auf die anfangs diskutierten weitaus stärkeren Anhebungen konnte insoweit ein tragbarer Kompromiss er-reicht werden. Die neuen Größengrenzen und die vereinfachte Prüfung sind erstmals auf die Prüfung der Jahresabschlüsse für ein frühestens am 31. Dezember 2017 endendes Geschäftsjahr anzuwenden. Das Gesetz sieht darüber hinaus punktuelle Erleichterungen der Prüfung vor. So wurde die Pflicht zur Einreichung einer Prüfungsbescheinigung zum Register (§ 59 Abs. 1 Satz 1 GenG) ersetzt durch eine Negativmeldung des zuständigen Prüfungsverbands, wenn die Prüfung nicht stattgefunden hat (§ 63d Satz 2 GenG). Erleichtert wurde auch die pflichtgemäße Prüfung der Mitgliederliste. Sie muss fortan nicht mehr bei jeder Prüfung mitgeprüft werden, sofern es in der Vergangenheit keine Beanstandungen gab (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GenG). Außerdem reicht künftig die Ankündigung über die Beratung des Prüfungsberichts in der Tagesordnung der Generalversammlung aus. Die Ankündigung einer Beschlussfassung ist nur erforderlich, wenn z. B. Maßnahmen zur Beseitigung von festgestellten Mängeln gefasst werden sollen, weil Vorstand und Aufsichtsrat nichts Ausreichendes veranlassen. Mit der Klarstellung in § 55 Abs. 4 GenG weist das Gesetz die Prüfungs-zuständigkeit für Genossenschaften mit Mehrfachmitgliedschaft grundsätzlich dem zuerst beigetretenen Prüfungsverband zu. Insbesondere zur Verhinderung sogenannter Anlagegenossenschaften muss der Prüfungsverband zukünftig im Prüfungsbericht auf die Art und Weise der Verfolgung des Förderzwecks eingehen (§ 58 Abs. 1 Satz 3 GenG). Bei Hin-weisen auf das Betreiben unerlaubter Investmentgeschäfte unter Missachtung des Förderzwecks ist der Verband berechtigt, der zuständigen Aufsichtsbehörde (BaFin) eine Abschrift des Prüfungsberichts zukommen zu lassen.

Digitale Kommunikation mit den Mitgliedern


Zahlreiche Vorschriften erlauben den Einsatz des Internets in der Kommunikation mit den Mitgliedern und der Öffentlichkeit. Für Bekanntmachungen kann die Satzung auch öffentlich zugängliche elektronische Informations-medien bezeichnen, wie z. B. die Internetseite der Genossenschaft oder den elektronischen Bundesanzeiger (§ 6 Nr. 5 GenG). So kann auf die Auslegung des Jahresabschlusses und der Vertreterliste in den Geschäftsräumen verzichtet werden, wenn diese im Internet zugänglich sind (§§ 43a Abs. 6 und 48 Abs. 3 GenG). Ebenso verzichtbar ist die Zusendung der Satzung an beitrittswillige Mitglieder, wenn diese im Internet abrufbar ist und die Zusendung angeboten wird (§ 15 Abs. 1 GenG). Die Einladungen zur General- bzw. Vertreterversammlung können z. B. per E-Mail erfolgen (§ 6 Nr. 4 GenG), wenn damit eine unmittelbare Benachrichtigung der Mitglieder sichergestellt ist. Eine Einladung ausschließlich über die Internetseite der Genossenschaft oder den elektronischen Bundesanzeiger ist nicht ausreichend.

Vereinfachte Mitgliederdarlehen


Der neue § 21b GenG ermöglicht die Finanzierung oder Modernisierung konkret benannter Sachanlageinvestitionen über Mitgliederdarlehen als Alternative zu Nachrangdarlehen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1a VermAnlG. Die Ausnahme von ansonsten erlaubnispflichtigen Einlage-geschäften wird nur unter engen formellen Voraussetzungen gewährt. Unter anderem darf die Darlehenssumme je Mitglied, sofern es kein Unternehmer ist, 25.000 Euro nicht übersteigen und die Gesamtfinanzierung wird auf 2,5 Millionen Euro je Vorhaben begrenzt. Ebenso darf der zulässige Zinssatz 1,5 Prozent bzw. den Pfandbriefsatz nicht übersteigen. Der Vorstand unterliegt Informations- und Aufklärungspflichten über das Vorhaben und die Darlehensrisiken sowie Pflichten zur Einhaltung der Zweckbindung während der gesamten Laufzeit.

Verwaltung von Genossenschaften


Sinnvolle Einzelmaßnahmen reduzieren den Verwaltungsaufwand von Genossenschaften. So muss die Gründungs-satzung nicht mehr von allen, sondern nur noch durch mindestens drei Gründungsmitglieder unterzeichnet werden (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 GenG). Weitere Mit-glieder können der in Gründung befindlichen Genossenschaft durch Abgabe einer Beitrittserklärung beitreten (§ 15 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 4 GenG). Die Satzung kann künftig das Stimm-recht investierender Mitglieder vollständig ausschließen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 GenG). Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern können in der Satzung von der grundsätzlichen Weisungsfreiheit des Vorstands abweichen und den Vorstand an Weisungen der Generalversammlung binden (§ 27 Abs. 1 GenG). Die Sorgfaltspflichten des Vorstands bei Ermessensentscheidungen begrenzt die sog. Business Judgement Rule. Ehrenamtliche Vorstände fallen unter eine Haftungserleichterung (§ 34 Abs. 1 und Abs. 2 GenG). Daneben verkürzt § 30 Abs. 3 GenG die Auf-bewahrungspflichten und § 30 Abs. 2 Satz 2 GenG beschränkt die Dokumentationspflichten in der Mitgliederliste auf besonders wichtige Eintragungen. Versammlungsprotokolle müssen zukünftig nur noch vom Vorsitzenden und einem anwesenden Vorstandsmitglied unter-schrieben werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GenG).

Schutz von Mitgliedern und Verbrauchern


Drei Neuerungen sind unmittelbar ab dem Inkrafttreten des Gesetzes im Rahmen der Mitgliederwerbung zu beachten. Zum einen hat jede Genossenschaft den Namen und den Sitz des für sie zuständigen Prüfungsverbandes auf ihrer Internetseite anzugeben (§ 54 Satz 2 GenG). Mangels Internetseite erfolgt die Angabe in den Geschäftsbriefen. Das Registergericht kann die Unterlassung der Angaben mit Zwangsgeldern belegen (§ 160 Abs. 1 Satz 1 GenG). Zusätzlich wurde der Pflichtinhalt der Beitrittserklärung, die das beitretende Mitglied ausdrücklich zur Kenntnis nehmen muss, um die An-gabe weiterer satzungsmäßiger Einzahlungspflichten (z. B. Eintrittsgelder) und Kündigungsfristen von mehr als einem Jahr (§ 15a Satz 3 GenG) erweitert. Die Muster-Beitrittserklärungen werden entsprechend angepasst. Als Reaktion auf vereinzelt vorkommende Missbrauchsfälle schreibt der Gesetzgeber künftig vor, dass eine Vollmacht zur Beitritts-erklärung der Schriftform bedarf (§ 15 Abs. 1 Satz 3 GenG).

Positives Fazit


Die Genossenschaftsnovelle ist insgesamt gut gelungen. Die Neuregelungen machen die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft nachhaltig attraktiver. Sie erleichtern die Zusammenarbeit in Genossenschaften und stellen interessante neue Möglichkeiten der Mitgliedergewinnung und Innenfinanzierung zur Verfügung.

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