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Von der Energie- zur Klimaschutzgenossenschaft


Ein Beitrag von Dr. Andreas Wieg, Leiter Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV, für unser Fachmagazin PerspektivePraxis.


Der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland erfolgt dezentral und fast flächendeckend. Die Anlagen sind auch für kleine Betreiberunternehmen und Privatpersonen erschwinglich. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz schaffte zudem stabile Rahmenbedingungen und ermöglichte so wirtschaftlich planbare Geschäftsmodelle für die neuen Technologien im Bereich Windenergie, Solarenergie und Bioenergie. Die Genossenschaft wurde vielfach als Organisationsform zur Umsetzung gemeinschaftlicher Energieprojekte genutzt. In den letzten Jahren haben sich mehr als 850 neue Energiegenossenschaften gegründet. Für viele Energiegenossenschaften sind die Errichtung und der Betrieb von Photovoltaikanlagen das Kerngeschäft.

Durch geänderte Rahmenbedingungen und den Antrieb vieler Energiegenossenschaften, im Rahmen der gesellschaftlichen Aufgabe Energiewende neue Geschäftsfelder zu erschließen, stehen die Energiegenossenschaften derzeit aber vor neuen Herausforderungen. Seit Ende 2016 begleitet die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften gemeinsam mit der Universität Kassel und dem deENet Kompetenznetzwerk dezentrale Energietechnologien e.V. im Rahmen des Drittmittelprojekts klimaGEN ausgewählte Energiegenossenschaften bei diesem Entwicklungsprozess. Nach zweieinhalb Jahren Projektlaufzeit liegen nun belastbare Erkenntnisse vor.

Neue Geschäftsfelder erschließen


Für viele Mitglieder von Energiegenossenschaften ist der Klimaschutz die entscheidende Motivation, um sich in den Energiegenossenschaften zu engagieren. Ziel des Projektes klimaGEN ist, die Potenziale der klimaschutzorientierten Investitionen und Verhaltensweisen zu analysieren und zu dokumentieren. Zudem sollen Handlungsoptionen und Instrumente zur Etablierung klimaschutzrelevanter Geschäftsfelder entwickelt werden. Hierfür bilden neben den Vorständen der Energiegenossenschaften auch einfache Mitglieder und Verbraucher die Zielgruppe.

Unter der Leitidee „Von der Energie- zur Klimaschutzgenossenschaft“ haben das fünfköpfige Projektteam und 13 Energiegenossenschaften aus dem gesamten Bundesgebiet über die Projektlaufzeit ausgelotet, welche Geschäftsfelder unter den gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen aussichtsreich sind. Weiterhin sind sie der Frage nachgegangen, inwiefern Energiegenossenschaften Mitglieder und Verbraucher beim alltäglichen Klimaschutz unterstützen können.

Wesentliche Herausforderungen


Um Handlungsoptionen und Instrumente zu entwickeln, war es zunächst wichtig, die internen und externen Herausforderungen der Energiegenossenschaften zu identifizieren. In Bezug auf interne Herausforderungen sind dies vor allem Vorstandsentscheidungen, zeitliche Begrenzungen im Rahmen der ehrenamtlichen Tätigkeiten, Schwierigkeiten im strategischen Projektmanagement sowie eine teilweise geringe Wirtschaftlichkeit von Projekten.

Insbesondere zeitliche Begrenzungen haben verschiedentlich zur fehlenden Umsetzung eines neuen Geschäftsmodells geführt. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Ein wesentlicher Punkt war die große Komplexität bei der Umsetzung von technisch innovativen und damit anspruchsvollen Geschäftsideen. Da für ehrenamtlich verantwortliche Entscheider die Risiken solcher Projekte nicht gänzlich zu überschauen waren, wurden viele Geschäftsideen nicht umgesetzt. Daneben konnte teilweise auch die Wirtschaftlichkeit neuer Geschäftsmodelle nicht überzeugen. Zwar wurden unterschiedliche Ansätze (Speicherlösungen, Kleinwindkraftanlagen, Mieterstrom etc.) gemeinsam mit verschiedenen Energiegenossenschaften näher betrachtet, konnten wirtschaftlich jedoch nicht zufriedenstellend dargestellt werden und wurden damit nicht weiterverfolgt.

Die bei Energiegenossenschaften häufig vorherrschende ehrenamtliche Tätigkeit des Vorstands führt zu fehlender Flexibilität bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und zum Teil auch zum Rückzug von Handlungspersonen. Eine strategische Projektplanung und -anbahnung kann nicht bzw. nur sehr schwer verstetigt werden.

Externe Herausforderungen wie die juristische Komplexität von Projekten, fehlende kommunale Unterstützung sowie rechtliche Rahmenbedingungen bzw. die aktuelle Fördersituation erschweren die Umsetzung von Geschäftsmodellen ebenfalls. Ein Beispiel für ein juristisch komplexes Projekt ist das Mieterstrommodell, bei dem neben der Energiegenossenschaft auch noch das Wohnungsunternehmen und die Mieter vertraglich berücksichtigt werden müssen: Viele Energiegenossenschaften haben sich zu Projektbeginn für das Geschäftsmodell Mieterstrom interessiert, dieses aber im Projektverlauf verworfen. Obwohl diverse Mieterstrom-Dienstleistungen zur Unterstützung existieren und die Komplexität enorm reduzieren können, sind die Bedenken seitens der Energiegenossenschaften noch zu hoch.

Bei der Umsetzung von Projekten mit kommunaler (Liegenschafts-)Beteiligung ist eine Unterstützung der Gemeinde bzw. des Bürgermeisters von größter Bedeutung. Dies ist aber häufig nicht der Fall und Energiethemen wird oft noch keine Priorität eigeräumt. Dadurch erfahren neue Projektideen, z.B. zu Photovoltaik auf dem Dach oder zu Blockheizkraftwerken in Schulen, einen enormen Zeitverzug.

Darüber hinaus sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren zu Ungunsten von Energiegenossenschaften mehrfach geändert worden. Gerade bei Photovoltaikprojekten, also dem Kerngeschäft von Energiegenossenschaften, ist ein Abschwung zu erwarten.

Handlungsoptionen und Instrumente


Mit klimaGEN wurden Wege gefunden, um trotzdem zur Weiterentwicklung der Energiegenossenschaften beizutragen. Befragungen können ein Mittel sein, um Mitglieder zu aktivieren, Transparenz zu schaffen und Ideen zu generieren. Eine aktive und zielgruppenspezifische Öffentlichkeitsarbeit verbessert die Bekanntheit der Energiegenossenschaften vor Ort und erleichtert die Akquise von neuen Projekten. Gerade die Kommunikationsarbeit bietet einen Lösungsweg für viele Herausforderungen: Wichtig sind ansprechende Kommunikationsmaterialien, vom Internetauftritt bis hin zu internen Formaten. Gute Kommunikationsmittel können auch im Rahmen einer Kampagne genutzt werden. Gerade neue Geschäftsfelder können so erschlossen werden. Dazu gehören auch Veranstaltungen, Aktionstage und Mitmachaktionen, um die Materialien zu verbreiten und die Menschen anzusprechen. Über Bildungsangebote, zum Teil in Form von Webinaren, können insbesondere jüngere Personen erreicht werden. Im Projekt wurden daher standardisierte Formate der Öffentlichkeitsarbeit und Informationsmaterialien entwickelt. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass alle im klimaGEN-Projekt kooperierenden Energiegenossenschaften sehr engagiert und bestrebt sind, neue nachhaltige Geschäftsmodelle umzusetzen.

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