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Genossenschaftliche Wärmenetze


Ein Beitrag von Jonas von Obernitz, Referent für Wärmepolitik, Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV


In Deutschland werden rund zehn Prozent des Gebäudewärmebedarfs über netzgebundene Wärme gedeckt. Ein Großteil sind Fernwärmenetze, die oft von kommunalen Versorgungsunternehmen und großen privaten Energieversorgungsunternehmen betrieben werden. Daneben sind in den vergangenen Jahren viele kleinere Nahwärmenetze entstanden. Davon sind rund 200 in genossenschaftlicher Hand. Sie sind insbesondere in dünn besiedelten Gebieten und kleineren Ortschaften aktiv. In diesen Regionen sind die Investitionskosten pro Anschluss für größere Betreibende oft zu hoch, weshalb sich das Gesamtprojekt nicht trägt. Genossenschaften können hier eine sinnvolle Ergänzung zur kommunalen Wärmeversorgung sein.

Über Genossenschaften können wirtschaftliche und administrative Vorteile genutzt werden. Ein wesentlicher Vorteil ist das ehrenamtliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger, die bei der Planung, Umsetzung und auch im Betrieb der Wärmenetze aktiv mitwirken. Die aktive Beteiligung erhöht die Motivation, mit dem eigenen Haus bei dem Gemeinschaftsprojekt mitzumachen, was den Anschlussgrad der beteiligten Haushalte fördert. Ehrenamtliches Engagement und hoher Anschlussgrad wirken sich positiv auf die wirtschaftliche Kalkulation des Wärmenetzes aus.

Regionale Wertschöpfung und Innovation


Für die Arbeiten binden die Genossenschaften vornehmlich Agierende aus der Region ein und fördern damit die regionale Wertschöpfung. Die meisten genossenschaftlichen Nahwärmenetze nutzen als Primärquelle die Abwärme aus einer Biogasanlage, die von landwirtschaftlichen Betrieben zur Stromproduktion genutzt wird. Auch mit der lokalen Forstwirtschaft oder kommunalen Entsorgungsunternehmen wird kooperiert, um die Alt- oder Resthölzer aus Holzhackschnitzeln oder Pellets  zu verfeuern. Schließlich wird das örtliche Handwerk für die Installation und den Betrieb der Anlagen mit eingebunden. Die Genossenschaftsbanken vor Ort ermöglichen oft die Finanzierung.

Für die Bürgerinnen und Bürger ist der Anschluss ans genossenschaftliche Nahwärmenetz im Vergleich zur Einzelfeuerungsanlage sinnvoll, da Skaleneffekte bei den Wärmegestehungskosten, den technischen Anschaffungen und Reparaturkosten genutzt werden können. Darüber hinaus eröffnen Wärmenetze neue Möglichkeiten der Sektorenkopplung. So bieten etwa saisonale Großwärmespeicher genug Flexibilität, um die Energieerzeugung an den Strombedarf anzupassen. Kleinere Pufferspeicher stoßen hier schnell an ihre Grenzen und die Anlagen müssen auf den Wärmebedarf reagieren. Als Wärmequelle können auch Großwärmepumpen genutzt werden, die effizienter sind als kleine Luft-Wärmepumpen. Großwärmepumpen bieten zudem größeres Potenzial für ein sektorübergreifendes Lastmanagement.

Genossenschaftliche Wärmenetze fördern auch die Attraktivität eines Standorts und es entwickeln sich neue Ideen im Sinne der Menschen vor Ort. Dazu gehören weitere Angebote wie ein Carsharing oder eine Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Zusammen mit den anfallenden Erdarbeiten können auch Glasfaserkabel verlegt werden. So bringen Wärmenetze auch schnelles Internet in den ländlichen Raum.

 

Gesetz zur Wärmeplanung


Genossenschaften können also ein wichtiges Puzzleteil im großen Ganzen der Wärmewende werden. Dabei muss aber die besondere Situation von Nahwärmegenossenschaften, deren Mitarbeitende überwiegend ehrenamtlich tätig sind, Berücksichtigung finden. Damit sie ihr volles Potenzial entfalten können, dürfen weder bestehende noch neu zu gründende Nahwärmegenossenschaften durch hohe Planungskosten und unverhältnismäßige bürokratische Pflichten über Gebühr belastet werden. Viel wird zukünftig davon abhängen, wie schnell von der Politik ein klarer und verbindlicher Rahmen für die Weiterentwicklung der Wärmenetze geschaffen wird. Es bedarf vor allem auch weiterer Anreize zur Investition in den Ausbau und die Dekarbonisierung der Wärmenetze.

Das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG) ist ein wichtiger Baustein für einen verbindlichen Rahmen zur Entwicklung von Wärmenetzen. Mit dem Gesetz sollen die Grundlagen für die Einführung einer flächendeckenden Wärmeplanung in Deutschland geschaffen werden. Damit soll die Wärmeversorgung auf Treibhausgasneutralität umgestellt werden, um zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung bis 2045 beizutragen. Der Gesetzentwurf sieht die Verpflichtung der Länder vor, sicherzustellen, dass auf ihrem Hoheitsgebiet bis zum 30. Juni 2026 für Großstädte bzw. bis zum 30. Juni 2028 für Gemeinden mit weniger als 100.000 Menschen Wärmepläne erstellt werden. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2024 zeitgleich mit dem Gebäudeenergiegesetz in Kraft treten.

Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV begrüßt den Vorschlag ausdrücklich als wichtigen Baustein der Wärmewende. Trotzdem sollte hierüber sichergestellt werden, dass es eine verpflichtende Beteiligung von Energiegemeinschaften wie z. B. Energiegenossenschaften bei der Wärmeplanung gibt – gerade auch bei Gemeinden mit einer Population unter 45.000.

Fernwärmegipfel


Auf dem Fernwärmegipfel des Bundeswirtschaftsministeriums präsentierte der Chef der dänischen Energieagentur Kristoffer Böttzauw die Situation der Wärmenetze in seinem Heimatland. Zwei Drittel der Haushalte werden durch Wärmenetze versorgt. Die Energiequellen basieren laut einer Statistik aus dem Jahr 2020 zu 76 Prozent auf erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2030 soll diese Zahl auf 96 Prozent ansteigen. Die weit überwiegende Zahl der betreibenden Unternehmen dänischer Wärmenetze sind Genossenschaften. Die Mitglieder sind zugleich Wärmekundinnen und -kunden.

In der gemeinsamen Erklärung zum Fernwärmegipfel werden die Nahwärmenetze als eine bürgernahe Option benannt, um Wohnquartiere gemeinschaftlich mit klimaneutraler Wärme zu versorgen. Auch die Akteursvielfalt bei der Wärmewende wird in dem Papier herausgestellt. Das bedeutet, dass beispielsweise neben kommunalen Akteuren auch Genossenschaften aktiv werden sollen.

Fazit


Wir werden mit unserer Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV die für das WPG und den Fernwärmegipfel zuständigen Ministerien beim weiteren Prozess intensiv begleiten. Darüber hinaus werden wir uns bei den geplanten Workshops weiter dafür einsetzen, dass die Perspektive kleiner und insbesondere genossenschaftlicher Wärmenetze Eingang in die Diskussionen findet und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Nur unter den richtigen Rahmenbedingungen können die Genossenschaften auch in Zukunft ihren Beitrag zur Wärmewende leisten.

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