Newsroom / PerspektivePraxis / Grundsatz

Steuervermeidung ist kein Förderzweck


Ein Beitrag von Hans-Hilmar Bühler, Referent für Grundsatzfragen beim DGRV, für unser Fachmagazin PerspektivePraxis.


In der letzten Zeit sind vermehrt sogenannte Familiengenossenschaften gegründet worden, die der Vermögenssicherung und Steuervermeidung dienen sollen. Diese Geschäftsmodelle sind nicht mit dem Genossenschaftsgesetz vereinbar. Unser Bericht gibt einen aktuellen Zwischenstand zu bereits erfolgten und noch geplanten Gesetzesänderungen.

Leitlinien gegen Missbrauch


Genossenschaften genießen einen exzellenten Ruf. Wie keine andere Rechtsform stehen Genossenschaften für Solidität, Nachhaltigkeit und Rechtschaffenheit. Jüngst haben einzelne Pleiten und Betrugsfälle dem Image schwer geschadet. Hierbei wurden sogenannte Wohnungsgenossenschaften für Kapitalanlagemodelle oder gar Schneeballsysteme missbraucht. Daraufhin haben der DGRV und die genossenschaftlichen Prüfungsverbände Leitlinien zum Umgang mit problematischen Gestaltungen aufgestellt. Der Gesetzgeber hat zum 1. Januar 2020 auf den zunehmen-den Missbrauch der Rechtsform durch sogenannte Familiengenossenschaften reagiert. Weitere Schritte sind in Vorbereitung.

Schutz der Marke „Genossenschaft“


Mit einem Gesetzentwurf „Zum Schutz von Genossenschaften“ möchte der Gesetzgeber ein deutliches Warnzeichen in § 1 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) aufstellen: „Die Kapitalanlage ist als eigenständiger Förderzweck unzulässig.“ Genossenschaften dürfen nicht für Zwecke der reinen Kapitalanlage oder der renditeorientierten Vermögensverwaltung missbraucht werden. Kreditgenossenschaften und Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtungen, die nach den Regeln des KWG arbeiten, sind hiervon indes nicht berührt.

Die gesetzliche Klarstellung beschreibt für seriöse Genossenschaften und Prüfungsverbände eine bloße Selbstverständlichkeit. Anderswo trifft man hingegen auf grenzwertige Auslegungen des genossenschaftlichen Förderzweckgebots. Daher ist von dem weiteren Gesetzgebungsvorschlag wenig Abhilfe zu erwarten. Prüfungsverbände sollen verpflichtende Mitteilungen an die Finanzaufsicht BaFin machen, sobald im Rahmen der Prüfung unzulässige Vermögensanlage- oder Investmentgeschäfte auftauchen. Das ist ein Zirkelschluss bei Prüfungsverbänden, die das Geschäftsmodell abgesegnet haben. Sinnvoller erscheint da der Vorschlag, die Aufsichtsbehörden über die genossenschaftlichen Prüfungsverbände und die BaFin zu einer engeren Zusammen-arbeit anzuregen. Der Fortgang des Gesetzentwurfs bleibt abzuwarten.

Missbrauch durch „Steuerspar-Genossenschaften“


Eine höchst bedenkliche genossenschaftliche Gestaltung von „Steuerspar-Genossenschaften“ hat sich in Kreisen von Finanzberatern und „Steuerexperten“ rasch verbreitet. Die Idee: Vermietungsimmobilien und auch selbst genutzte Wohnhäuser werden in neu zu gründende Vermietungs- bzw. Familiengenossenschaften eingebracht. Oft wurden bereits vorkonfektionierte „Schubladengründungen“ an Interessenten verkauft.

Vorrangiges Motiv der Gründung war die Ausnutzung der steuerlichen Sondervorschriften für Wohnungsgenossenschaften bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Gezielt sollten die Eigentümer ihre Ein- und Mehrfamilienobjekte gegen die Ausgabe von Geschäftsanteilen in eine Genossenschaft mit „optimierter Grunderwerbsteuer“ einbringen. Die bisherigen Mieter wurden als investierende Mitglieder der Genossenschaft ohne Stimmrechte übernommen, während die Gründer und Initiatoren als ordentliche Mitglieder die Gestaltungsmacht behielten, aber oftmals kein eigenes Nutzungsinteresse an den Immobilien hatten. Die Steuerbefreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer wird Wohnungsgenossenschaften gewährt, wenn wenigstens 90 Prozent ihrer Einnahmen aus der Vermietung an Mitglieder stammen. Rückvergütungen aus dem Mitgliedergeschäft können als Betriebsausgaben geltend gemacht werden.

Eine besonders aggressive Strategie verfolgen jene Berater, die im Förderzweck der Genossenschaft zusätzlich die privaten Hobbys und Neigungen der Gründer verklausulieren, beispielsweise für Reisen, Pkw und Sport, um diese Privatausgaben als förderzweckdienliche Betriebsausgaben steuerlich abzusetzen. Als weitere Nebeneffekte preisen die Berater den Vermögensschutz der eingebrachten Wohnimmobilien, Grundstücke und sonstigen Sachwerte an, weil die Gläubiger eines zahlungsunfähigen Mitglieds keinen Zugriff auf das Firmenvermögen haben.

Schlupfloch geschlossen


In steuerrechtlicher Hinsicht hat der Gesetzgeber für klare Verhältnisse gesorgt: Am 1. Januar 2020 trat die Ergänzung der besagten Steuerbefreiungsvorschrift für Wohnungsgenossenschaften im KStG in Kraft (siehe Artikel 6 des Gesetzes vom 21.12.2019, BGBl. I S. 2884). Steuerbefreit sind grundsätzlich nur Wohnungsgenossenschaften, die Wohnungen an ihre Mitglieder vermieten. Entscheidend ist die klarstellende Ergänzung: Investierende Mitglieder im Sinne des § 8 Abs. 2 GenG gelten nicht als (ordentliche) Mitglieder im Sinne der Befreiungsvorschrift. Folglich ist die Überlassung von Wohnungen an investierende Mitglieder nicht von der Steuerbefreiung erfasst. Die Befreiung von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer entfällt, sobald weniger als 90 Prozent der Einnahmen aus der Vermietung an ordentliche Mitglieder erzielt werden.

Steuervermeidung kein zulässiges Gründungsmotiv


Wie sind solche Vermietungs- oder Familiengenossenschaften in genossenschaftsrechtlicher Hinsicht zu beurteilen? Schon die Begründung des Gesetzgebers lässt auch in genossenschaftsrechtlichem Sinn keine Zweifel an der Unrechtmäßigkeit aufkommen. Das Leitbild des Gesetzgebers, so lautet die Begründung (vgl. Drucksache 19/15876, S. 62), ist geprägt von Wohnungsgenossenschaften als Selbsthilfeeinrichtungen ihrer Nutzer. Der Selbsthilfecharakter kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass diesen Mitgliedern alle Mitgliedschaftsrechte eingeräumt werden. Bei investierenden Mitgliedern ist dies regelmäßig nicht der Fall. Hier degeneriert die Genossenschaft zu einem steueroptimierten Vehikel für die Vermögensverwaltung der Initiatoren. Und das ist letztlich wesensverwandt mit renditeorientierter Kapitalanlage, die als vorwiegender Förderzweck nicht zulässig ist.

Hinzu kommt die fragliche, womöglich auch unzulässige Intention der Gründer, investierende Mitglieder als nutzende Mitglieder einzusetzen. Hier klafft nicht nur ein Widerspruch zur gesetzlichen Bestimmung der investierenden Mitglieder, die für eine Förderung nicht infrage kommen (§ 8 Abs. 2 GenG). Es zeigt auch die Absicht, dass nicht die ordentlichen Mitglieder gefördert werden sollen. Der Förderzweck einer Genossenschaft hat sich stets an den ordentlichen Mitgliedern auszurichten.

Wohnen ist der Förderzweck


Worüber Steuerexperten trefflich streiten mögen, ist unter Experten der Genossenschaften schnell entschieden:

Das Motiv zur Gründung einer Wohnungsgenossenschaft muss die Befriedigung der Wohnbedürfnisse der ordentlichen Mitglieder durch das Angebot von Wohnraum sein. Lediglich vorhandene Miet- und Wohnverhältnisse steueroptimal neu zu verpacken, stellt ein überwiegend finanzielles Motiv dar, mithin handelt es sich um renditeorientierte Vermögensverwaltung. Das ist keine Genossenschaft.

Unproblematisch ist dagegen die Einbringung von Immobilien in eine Genossenschaft und anschließender Nutzung durch die ordentlichen Mitglieder. So trennt der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e. V. in seiner Mitteilung vom 5. November 2019 zwischen zulässigen und unzulässigen Familiengenossenschaften: „Im Mittelpunkt der Mitgliederwerbung von solchen [zulässigen] Familiengenossenschaften steht somit automatisch der genossenschaftliche Förderauftrag, also der Mehrwert, den sie ihren Mitgliedern bietet, während bei rein renditegetriebenen Familiengenossenschaften die Rechtsform Genossenschaft als Instrument zur Vermögensverwaltung missbraucht wird.“

Abschließend stellt sich eine generelle Frage: Ist die Ausnutzung des „Steuerschlupflochs“ für Wohnungsgenossenschaften legitim oder schon illegal? Ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, müssen letztlich die Gerichte in einem Streitfall entscheiden. Dazu mag ein Seitenblick auf den sogenannten „Cum-Ex-Skandal“ hilfreich sein. Dort hat sich die anfängliche Gewissheit der Täter, es müsse schließlich erlaubt sein, was das Gesetz nicht explizit untersagt, als trügerisch herausgestellt. Fest steht hingegen: Geschäftsmodelle, die ausschließlich auf die Erlangung von Steuervorteilen ausgerichtet sind, sind mit dem Förderzweckgebot des Genossenschaftsgesetzes nicht vereinbar.

Folgende Artikel unseres Fachmagazins PerspektivePraxis könnten Sie auch interessieren:


Grundsatz

IFRS-Einzelabschluss: Ein Untoter?

Auf und Ab bei den International Financial Reporting Standards

Mehr
Grundsatz

EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung geht in die nächste Runde

Auswirkungen auch für KMU

Mehr
Grundsatz

Neue Standards zur Nachhaltigkeit

Auch mittelständische und kleine Unternehmen erwarten deutlich erweiterte Berichtspflichten

Mehr