Beurteilung der finalen Änderungen aus Sicht der Energiegenossenschaften
Im Folgenden finden Sie eine fachliche Einschätzung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zum Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021 (EEG 2021) vom 15. Dezember 2020 mit Fokus auf energiegenossenschaftliche Aspekte. Die Beschlussempfehlung finden Sie hier. Die Beschlussempfehlung legt die finalen Änderungen zum EEG 2021, das am 1. Januar 2021 in Kraft tritt, fest.
Insgesamt enthält das final ausgehandelte EEG 2021 mehr Schatten als Licht für die Energiegenossenschaften.
Die unternehmerische Tätigkeit der Energiegenossenschaften wird insbesondere der faktische Zwang von Photovoltaikdachausschreibungen für Anlagen zwischen 300 kW und 750 kW behindern. Denn diese Anlagen sollen, wenn sie in der gesetzlichen Förderung verbleiben wollen, nur noch 50% der erzeugten Strommenge gefördert bekommen. Die restlichen 50% sollen selbst verbraucht oder direkt vermarktet werden. Energiegenossenschaften wollen Photovoltaikanlagen selbst bauen und betreiben. Sie können keine Eigenversorgung machen, für den direktvermarkten Strom gibt es nur sehr niedrige marktliche Preise und an Ausschreibungen können Energiegenossenschaften nicht teilnehmen. So grenzt die faktische Absenkung der Ausschreibungsgrenzen auf 300 kW das Hauptgeschäftsfeld der Energiegenossenschaften (Photovoltaikanlagen unter 750 kWp) weiter ein. Energiegenossenschaften haben kaum eine Chance bei Photovoltaik- und Windausschreibungen. Deswegen müssen die Ausschreibungsgrenzen für Photovoltaikanlagen in der nächsten EEG-Novelle wieder erhöht werden. Dies wird neben den anderen Forderungen wie der Einführung einer genossenschaftlichen Mitgliederversorgung die Hauptforderung der genossenschaftlichen Regionalverbände und der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV im Rahmen der Bundestagswahl, Koalitionsverhandlungen und nächsten EEG-Novellen sein.
Zudem sind Energiegenossenschaften durch die fehlenden bzw. unzureichenden Anpassungen im Bereich der genossenschaftlichen Mitgliederversorgung / Energy Sharing, des atmenden Deckels für Photovoltaik, die „finanzielle Beteiligung von Bürgern“ im Rahmen der Photovoltaik- und Windausschreibungen bzw. die fehlenden gleichwertigen Wettbewerbsbedingungen in den Ausschreibungen im EEG 2021 insgesamt betroffen.
Für die Festlegung des 65%-EE-Ausbauziels für 2030 und die hierfür jährlich hinterlegten Ausbaupfade für die einzelnen EE-Technologien im EEG 2021 nimmt die Bundesregierung und das Bundeswirtschaftsministerium einen Stromverbrauch von 580 TWh an. Die wissenschaftlichen Studien, die EE-Verbände und -Branche sind sich einig, dass dieser Stromverbrauch schon allein für die geplante Elektromobilitäts- und Wasserstoffstrategie, die Sektorkopplung, die Elektrifizierung des Wärme- und Mobilitätsbereichs bzw. die deutschen Klimaziele viel zu niedrig ist. Die Stromverbrauchsannahme und die Ausbauziele für Photovoltaik, Windenergie an Land und Biomasse müssen deswegen erhöht werden. Beim Solarstrom müsste das jährliche Ausbauziel auf mindestens netto 5 GW im Jahr erhöht und ausgewogen auf die verschiedenen Marktsegmente verteilt werden. Dies muss so schnell wie möglich gesetzgeberisch angepasst werden.
Positiv zu bewerten sind die Anpassungen im Mieterstrom, die Ansätze einer Regelung für Post-EEG-Anlagen (obwohl abzuwarten ist, ob die Regelungen einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb ermöglichen), die Einführung der Südquote bei Windenergieausschreibungen, die Anpassung des Referenzertragsmodells (obwohl abzuwarten ist, ob diese beiden Regelung tatsächlich zu mehr Zubau in Süddeutschland führen werden) sowie die Erhöhung des Ausschreibungsvolumens, des Gebotshöchstwerts und des Flexibilitätszuschlags bzw. die Streichung des Flexdeckels bei Biomasseanlagen. Außerdem begrüßen wir die Entschärfungen der Smart-Meter-Einbaupflichten und der Regelung über die negativen Preise.
Die genossenschaftlichen Regionalverbände und die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften werden sich deswegen verstärkt in der Bundestagswahl 2021, den Koalitionsverhandlungen und den kommenden EEG-Novellen u.a. für eine Erhöhung der Ausschreibungsgrenzen, Einführung der genossenschaftlichen Mitgliederversorgung, eine Anpassung des atmenden Deckels bzw. der gesetzlichen Förderung und Erhöhung der Ausbauziele einsetzen.
Im EEG-2021 finden sich erstmalig Regelungen für Erneuerbare-Energien-Anlagen, die vor dem 1. Januar 2021 in Betrieb genommen worden sind und keine EEG-Vergütung mehr erhalten (sog. Post-EEG-Anlagen oder ausgeförderte Anlagen).
Für die Post-EEG-Anlagen soll eine neue Einspeisevergütung geschaffen werden. Für Post-EEG-Anlagen bis 100 kW, die keine Windenergieanlagen sind, soll es eine Auffangvergütung in Höhe des energieträgerspezifischen Marktwertes abzüglich der Vermarktungskosten von 0,4 ct/kWh für 2021 bzw. ab 2022 die Kosten, die die Übertragungsnetzbetreiber für die Vermarktung ermitteln, für den ins Netz eingespeisten Strom befristet bis zum 31. Dezember 2027 geben. Die abgezogenen Vermarktungskosten sollen sich halbieren, wenn die ausgeförderten Anlagen mit einem intelligenten Messsystem / Smart-Meter ausgestattet sind.
Windenergieanlagen an Land, deren ursprünglicher Zahlungsanspruch am 31. Dezember 2020 oder am 31. Dezember 2021 endet und die nicht in die sonstige Direktvermarktung wechseln, sollen zukünftig einen erhöhten Marktwert vom Netzbetreiber erhalten. Die Höhe wird entweder gesetzlich, in diesem Fall endet die Förderung Ende 2021, oder im Rahmen von Ausschreibungen für eine Anschlussförderung, in diesem Fall endet die Förderung bei erfolgreichen Zuschlag Ende 2022, festgelegt. Die Höhe verringert sich ebenfalls um 0,4 ct/kWh Vermarktungskosten. Für ausgeförderte Windanlagen an Land ist die Anschlussförderung auf zwei Jahre befristet.
Der Beschluss regelt die Smart-Meter-Einbauverpflichtungen im EEG 2021. Danach sollen Erneuerbare-Energien- und KWK-Anlagen erst ab 7 kW äquivalent zum Messstellenbetriebsgesetz intelligente Messsysteme einbauen müssen, wenn das Bundesamt für Sicherheit und Technik (BSI) bestimmte technische Voraussetzungen feststellt.
Bei Anlagen zwischen 7 kW und 25 kW müssen ab dem durch das BSI festgelegten Einbauzeitpunkt Smart-Meter eingebaut werden, mit denen die Ist-Einspeisung abgerufen werden kann. Bei Anlagen größer 25 kW müssen die eingebauten Smart-Meter zusätzlich zu der Abrufung der Ist-Einspeisung, die Einspeisung stufenweise, sobald die technische Möglichkeit besteht stufenlos, ferngesteuert regeln können. Die Bundesregierung kann im Rahmen einer Verordnungsermächtigung die Grenze von 25 kW weiter absenken. Falls dies geschehen sollte, sollen die Kosten für Einbau und Betrieb ähnlich der Preisobergrenze im Messstellenbetriebsgesetz gedeckelt werden.
Die Regelung in § 51 EEG 2021 sieht eine Ausweitung der bisher bestehenden Regelung im EEG 2017 zur Vergütung im Fall von negativen Preisen vor. So soll für alle Neuanlagen ab 500 kW installierter Leistung die Vergütung schon ab vier Stunden negativer Preise entfallen.
Als finanzieller Ausgleich soll mit der Regelung in § 51a EEG 2021 sichergestellt werden, dass sich der Vergütungszeitraum um die Zeiten verlängert, in denen die Anlagenbetreiber aufgrund von negativen Preisen in mindestens vier aufeinanderfolgenden Stunden keine Vergütung erhalten haben.
Es soll eigene Ausschreibungen für Photovoltaikdachanlagen (auf, an oder in einem Gebäude oder einer Lärmschutzwand) eingeführt werden. Eigenverbrauch soll bei Anlagen, die über Ausschreibungen vergütet werden, nicht mehr zulässig sein.
Die Ausschreibungsgrenze für Photovoltaikdachanlagen verbleibt bei 750 kW installierter Leistung, aber Anlagenbetreiber können, wenn sie wollen, für Photovoltaikdachanlagen zwischen 300 kW und 750 kW installierter Leistung „freiwillig“ bei den Dachanlagenausschreibungen mitbieten.
Die Gebotstermine für die Photovoltaikdachanlagen sollen jährlich am 1. Juni und 1. Dezember stattfinden.
Das Ausschreibungsvolumen der neuen Ausschreibungen für Dachanlagen (zweites Segment) soll sukzessive erhöht werden. In den Jahren 2021 und 2022 soll das Ausschreibungsvolumen pro Jahr 300 MW betragen. Das jährliche Ausschreibungsvolumen soll sich für die Jahre 2023 und 2024 auf 350 MW und ab dem Jahr 2025 auf 400 MW erhöhen
Die Ausschreibungssicherheit soll bei 70 Euro/kW und der Gebotshöchstwert bei 9,0 ct/kWh liegen.
Photovoltaikdachanlagen von mehr als 300 kW bis einschließlich 750 kW sollen zukünftig eine Wahlmöglichkeit haben, ob sie an Ausschreibungen teilnehmen (siehe Punkt B. 1.) oder in der Festvergütung bleiben.
Im letzteren Fall sollen aber nur noch 50 Prozent der erzeugten Strommenge vergütet werden. Die übrige Strommenge soll der Anlagenbetreiber selbst verbrauchen oder ungefördert direkt vermarkten. Dies stellt faktisch eine Kürzung der Vergütung um 50% und ein Zwang an Ausschreibungen teilzunehmen dar. In diesem Segment ist mit einer rückläufigen Neuerrichtung von Solardachanlagen zu rechnen, weil es wenige Projekte gibt, bei denen 50% Eigenversorgung wirtschaftlich darstellbar sind. Ferner ist der Marktpreis zu gering bzw. nehmen kleine Marktakteuren aus verschiedenen Gründen nicht an Ausschreibungen teil.
Das Lieferkettenmodell soll zukünftig ermöglicht werden. Beim Lieferkettenmodell tritt ein Energiedienstleister als Mieterstromlieferant auf und übernimmt die Strombelieferung von Letztverbrauchern im Rahmen eines Mieterstromprodukts.
Mieterstromanlagen sollen zukünftig für das Erreichen der Vergütungsanspruchsgrenze von 100 kW nicht mehr wie bisher räumlich zusammengefasst werden. Diese Anlagen sollen nur zusammengefasst werden, wenn sie an demselben Anschlusspunkt betrieben werden. Zukünftig sollen Mieterstromprojekte auch in Quartieren möglich und förderfähig sein. Hierzu soll das bisherige Kriterium „im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang“ gestrichen werden.
Der anzulegende Wert für den Mieterstromzuschlag soll gesetzlich festgelegt werden. So soll er:
bis 10 kWp: 3,79 ct/kWh
bis 40 kWp: 3,52 ct/kWh
bis 750 kWp: 2,37 ct/kWh betragen. Der anzulegende Wert soll sich entsprechend dem Degressionsmechanismus verringern.
Im Bereich der Eigenversorgung soll sich für EE-Anlagen nur ändern, dass keine EEG-Umlage für eine EE-Anlagen bis 30 kW installierter Leistung und 30 MWh Stromerzeugung mehr zu zahlen ist. Diese Regelung soll zukünftig sowohl für Neu- wie auch Bestandsanlagen, d.h. auch Post-EEG-Anlagen, gelten.
Freiflächenanlagen bis 750 kWp sollen weiterhin von Ausschreibungen ausgenommen bleiben.
Zukünftig sollen Gebote auch auf Seitenrandstreifen bis zu 200 Metern und bis 20 MW bei den Freiflächenausschreibungen zulässig sein. Ferner soll die Gebotsobergrenze von 7,5 auf 5,9 ct/kWh abgesenkt werden.
Für südliche Landkreise sollen in den Windausschreibungen ab 2022 eine Südquote in Höhe von 15% der Ausschreibungsmenge (ab 2024 20% der Ausschreibungsmenge) eingeführt und im Gegenzug das Netzausbaugebiet gestrichen werden (§ 36d EEG 2021).
Das Referenzertragsmodell soll angepasst werden, so dass zukünftig auch weniger windstarke Standorte zwischen 60 und 70% besser gefördert werden. So soll ein Korrekturfaktor von 1,35 für Windstandorte mit einem Gütefaktor von 60% eingeführt werden (§ 36h Abs. 1 EEG 2021).
Mit dem neuen § 36k EEG 2021 soll eine finanzielle Beteiligung von betroffenen Gemeinden eingeführt werden. So sollen neue Windenergieanlagen, die ab dem Jahr 2021 einen Zuschlag bei Ausschreibungen und eine Vergütung nach dem EEG erhalten, die freiwillige Möglichkeit bekommen, an die betroffenen Gemeinden 0,2 ct/kWh zu zahlen. Als betroffene Gemeinden sollen nur die gelten, die innerhalb eines Umkreises von 2,5 km um die jeweilige Windenergieanlagen liegen. Die Vereinbarungen zur Zahlung an die Gemeinde sollen schriftlich und bereits vor der Bundesimmissionsschutzgenehmigung getroffen werden können. Die Anlagenbetreiber sollen sich das Geld vom Netzbetreiber im Rahmen der Endabrechnung wieder zurückholen und dieser soll es in die EEG-Umlage wälzen können.
Der Höchstwert in den Ausschreibungen soll auf 6,0 ct/kWh (§ 36b EEG 2021) abgesenkt werden.
Das Ausschreibungsvolumen für Biomasseanlagen soll auf 600 MW (§ 28b Abs. 2 EEG 2021), der Gebotshöchstwert für neue Biomasseanlagen auf 16,4 ct/kWh (§ 39b Abs. 1 EEG 2021) und für bestehende Biomasseanlagen auf 18,4 ct/kWh (§ 39g Abs. 5 EEG 2021) erhöht werden.
Für Biomasseanlagen soll eine Südquote ab 2022 eingeführt werden, so dass zukünftig 80% des Zuschlagsvolumens in südliche Landkreise gehen soll (§ 39d EEG 2021).
Ferner soll die Realisierungsfrist im Rahmen der Ausschreibungen von 24 auf 36 Monate verlängert werden (§ 39f EEG-E). Der Zuschlagswert für kleine Biomasseanlagen mit einer installierten Leistung bis 500 kW in der Ausschreibung (Neu- und Bestandsanlagen) soll sich um 0,5 ct/kWh erhöhen. Die Regelung soll bis 2025 befristet werden (§ 39g EEG 2021).
Außerdem soll eine separate Ausschreibung für Biomethananlagen in südlichen Landkreisen mit einem Volumen von 75 MW ab 2022 eingeführt werden (§ 39j-m EEG 2021).
Der Flexibilitätszuschlag soll von 40 auf 65 Euro/kW installierter Leistung erhöht werden (§ 50a EEG 2021). Außerdem soll der Deckel bei der Umstellung von Biogasanlagen auf eine bedarfsgerechte Fahrweise (sog. Flexibilitätsprämiendeckel) aufgehoben werden (Anlage 3 Nr. I Nr. 5 EEG 2021).
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