Entscheidung des OLG Karlsruhe zu virtuellen General- bzw. Vertreterversammlungen in der Kritik. Kurzfristige gesetzliche Klarstellung gefordert.
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe kommt in einem aktuellen Beschluss (Az. 1 W 4/21 Wx) zu dem Ergebnis, dass virtuelle General- bzw. Vertreterversammlungen nicht auf Grundlage von § 3 Abs. 1 S. 1 COVMG (Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie) zulässig sind.
Aufgrund der Kontaktbeschränkungen durch die COVID-19-Pandemie haben viele Genossenschaften im Jahr 2020 erstmals in ihrer Historie eine virtuelle General- oder Vertreterversammlung durchgeführt. Auch in 2021 werden vielfach Online-Formate genutzt werden. Doch nicht alle Genossenschaften haben eine entsprechende Regelung in ihrer Satzung festgelegt.
Deshalb hatte der Gesetzgeber bereits am 27. März 2020 mit dem COVMG eine gesetzliche Grundlage verabschiedet, damit auch in diesen Fällen eine virtuelle General- bzw. Vertreterversammlungen rechtssicher durchgeführt werden kann. Diese Rechtsgrundlage wird nun durch das OLG Karlsruhe infrage gestellt.
Wir teilen die Auffassung des OLG Karlsruhe im Ergebnis nicht. Allerdings kann der Beschluss zu Unsicherheit bei den Genossenschaften führen, da es die erste und bislang einzige obergerichtliche Entscheidung zu dieser Thematik ist.
Es ist weiterhin grundsätzlich vertretbar, virtuelle General- bzw. Vertreterversammlungen durchzuführen. Etwas anderes kann sich z. B. in Fällen ergeben, in denen Beschlüsse über eintragungspflichtige Vorgänge, wie z. B. Satzungsänderungen oder Verschmelzungen, gefasst werden sollen. In diesen Fällen kann eine vorherige Rücksprache mit dem Registergericht hilfreich sein. In jedem Fall sollte der zuständige Prüfungsverband im Vorfeld einbezogen werden.
Der Beschluss des OLG Karlsruhe enthält keine abschließende Aussage dazu, ob die Durchführung einer virtuellen General- bzw. Vertreterversammlung zulässig ist, wenn die Satzung eine entsprechende Regelung enthält.
Beschlüsse, die im Rahmen bereits durchgeführter virtueller General- bzw. Vertreterversammlungen gefasst wurden, müssen nicht nochmals gefasst werden. Verschmelzungsbeschlüsse sind nach erfolgter Eintragung ohnehin nach § 20 Abs. 2 UmwG wirksam.
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist noch nicht rechtskräftig. Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ist eingelegt. Wir stehen mit dem Gesetzgeber im Austausch, um kurzfristig eine klarstellende Regelung in § 3 Abs. 1 COVMG zu erreichen.
Konkret fordern wir:
1.) Es muss klargestellt werden, dass virtuelle General- und Vertreterversammlungen zulässig sind und hierfür keine Satzungsregelungen erforderlich sind.
2.) Es muss ebenfalls klargestellt werden, dass die entsprechenden Satzungsregelungen zur virtuellen General- und Vertreterversammlung zulässig sind.
3.) Damit ein mögliches Rechtsrisiko vermieden wird, muss diese Klarstellung mit einer (echten) Rückwirkung auf den 28.03.2020 versehen werden.
Weitere Informationen und konkrete Unterstützung erhalten Sie von Ihrem Prüfungsverband.
DGRV-Abteilungsleiter Jan Holthaus kommentiert den Beschluss des OLG Karlsruhe in der aktuellen Ausgabe der „Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht“ (Heft 16, Seite 696), Sein Fazit: „Das OLG hat wesentliche Aspekte bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt. Die Entscheidung lässt die Praxis ratlos zurück. Es bleibt abzuwarten, was der BGH hieraus macht. Zur Zulässigkeit einer virtuellen GV/VV mit Satzungsregelung hat das OLG keine Entscheidung getroffen.“
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