Zahlreiche Vereinfachungen und Abbau bürokratischer Hürden zur Beschleunigung des Solarstrom-Ausbaus beschlossen
Am 18. August 2023 wurde der Kabinettsentwurf zum Solarpaket I von der Bundesregierung verabschiedet. Das Solarpaket enthält viele Vereinfachungen und baut bürokratische Hürden für den Bau von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) ab. Auf diese Weise soll der jährliche Ausbau im Solarstrom-Bereich bis 2026 auf 22 Gigawatt (GW) pro Jahr angehoben werden. Auch die Teilhabe von Bürger:innen an der Energiewende soll durch das Gesetz gesteigert werden. Ursprünglich war die Verabschiedung des Entwurfs aus dem Bundeswirtschaftsministerium bereits vor der Sommerpause angesetzt. Der Beschluss mit dem vollständigen Namen „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung“ enthält viele Nachbesserungen, die für Energiegenossenschaften relevant sind.
Um die Entwicklung und den Bau innovativer Freiflächen-Photovoltaikanlagen zu fördern, hat die Bundesregierung ein neues Ausschreibungssegment eingeführt. In diesem Segment werden Agri-PV-Anlagen, Floating-PV, PV-Anlagen auf Moorgebieten und als Parkplatzüberdachungen berücksichtigt. Diese Anlagen stehen damit nicht mehr in direkter Konkurrenz zu gewöhnlichen PV-Freiflächenanlagen. Das Ausschreibungsvolumen für diese besonderen Anlagen beträgt 3 GW, welches aus dem Segment der allgemeinen Freiflächenanlagen übertragen wird. Für Agri-PV-Anlagen mit einer Höhe von mindestens 2,10 Metern, die nachweislich die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln reduzieren, sowie für Biodiversitätsanlagen wird ein Förderbonus gewährt.
Eine weitere wichtige Änderung für Freiflächenanlagen ist die Ausweitung der Flächenkulisse. Künftig sollen auch landwirtschaftliche Flächen in benachteiligten Gebieten grundsätzlich für den Bau von PV-Anlagen genutzt werden können. Bisher musste ein solches Gebiet von den Bundesländern speziell ausgewiesen werden (Opt-in). Die Bundesregierung hat nun die Ausgangssituation umgedreht: Grundsätzlich stehen für Landwirtschaft ungünstigen Gebiete für den PV-Ausbau zur Verfügung und Einschränkungen müssen aktiv durch die Bundesländer ausgewiesen werden (Opt-out).
Zudem soll der Bau von Solaranlagen in ländlichen Gebieten angetrieben werden, indem für Anlagen auf Gebäuden im Außenbereich (auf Feldern und außerhalb von bewohnten Gebieten), die vor dem 1. März 2023 gebaut wurden, die Vergütung als Dachanlage gewährt wird (sog. Solarstadl). Bisher erhielten diese Gebäude die verringerte Vergütung einer Freiflächenanlage, um zu verhindern, dass Gebäude ohne sonstigen Nutzen als zum Zweck der erneuerbaren Stromproduktion gebaut wurden.
Durch die Änderungen im Solarpaket I soll der Netzanschluss für erneuerbare Energien beschleunigt werden. Im Zuge dessen wird der vereinfachte Anschluss für Dachanlagen mit einer installierten Leistung von bisher 10,8 Kilowatt (kW) auf 30 kW angehoben, sodass diese Anlagen angeschlossen werden können, wenn das Netzbetriebsunternehmen nicht innerhalb von einer vorgegebenen Frist auf das Netzanschlussbegehren reagiert. Sofern es für den Netzanschluss notwendig ist, besteht zukünftig das Recht, die Leitungen gegen Entschädigung auch dann zu verlegen, wenn diese über das Grundstück einer anderen Person verlaufen – dafür wird zwischen den betroffenen Parteien ein Gestattungsvertrag geschlossen (sog. Duldungspflicht).
Auch bei den Anlagenzertifikaten soll es für Anlagen mit einer geringeren Einspeiseleistung eine Lockerung geben. Künftig reicht für Anlagen mit einer Einspeiseleistung von bis zu 270 kW bzw. einer installierten Anlagenleistung von 500 kW ein einfaches Einheitenzertifikat aus. Bisher lag die Grenze bei 135 kW. Das spart den Anlagenbetreibenden den langwierigen Prozess für aufwändige Zertifikate zum Nachweis der Erfüllung der Vorgaben des netzbetreibenden Unternehmens.
Balkonkraftwerke sind ein weiteres Segment, in dem der Anschluss vereinfacht wird. Hier ist zukünftig keine Anmeldung beim Netzbetriebsunternehmen mehr erforderlich – lediglich im Marktstammdatenregister müssen die Anlagen eingetragen werden. Darüber hinaus muss vorübergehend nicht auf den Einbau eines Zweirichtungszählers gewartet werden. Sofern dieser nicht durch das Messstellenbetriebsunternehmen eingebaut wurde, wird toleriert, dass sich der Stromzähler zeitweise rückwärts dreht.
Bedeutende Änderungen im Solarpaket I beziehen sich auf die Einführung der Gemeinschaftlichen Eigenversorgung und die Ausweitung des Mieterstrommodells. Durch die Gemeinschaftliche Eigenversorgung wird der Betrieb von PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern ermöglicht. Bisher waren Mieter:innen und Wohnungseigentümer:innen von der Möglichkeit ausgeschlossen, unkompliziert Solarstrom vom eigenen Dach zu beziehen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes soll es Wohnungseigentümer:innen nach österreichischem Vorbild ermöglicht werden, Anlagen gemeinsam zu betreiben und den Strom hinter dem Netzanschlusspunkt weiterzugeben, ohne dadurch zum Stromversorgungsunternehmen zu werden. Die Aufteilung der erzeugten Strommengen kann von den Haushalten flexibel entschieden werden.
Vereinfachungen sind auch für das Mieterstrommodell vorgesehen. Dieses soll auch für gewerblich genutzte Gebäude geöffnet werden. Sofern die Stromversorgung weiter hinter dem Netzanschlusspunkt verläuft, soll künftig auch die Förderung von Nebengebäuden und Garagen möglich sein. Dieser Aspekt gewinnt durch die Änderungen bei der Anlagenzusammenfassung zusätzlich an Bedeutung. Hier wird auf räumliche Komponente beim Anschluss mehrerer PV-Anlagen verzichtet und Anlagen nur noch dann zusammengefasst, wenn sie tatsächlich am selben Netzanschluss hängen. In der Vergangenheit wurden hingegen oft Anlagen zusammengefasst, die eigentlich unabhängig voneinander betrieben wurden. Die Änderungen soll bewirken, dass das Mieterstrommodell auch für größere Quartiere interessant wird.
Ebenfalls relevant für den Betrieb von PV-Dachanlagen ist die Ausweitung des Repowerings. Damit können auch ältere Anlagen, die nicht mehr wirtschaftlich sind, durch neuere und effizientere Anlagen ersetzt werden. Die Einspeisevergütung für die Ursprungsleistung geht dabei nicht verloren. Flexibler gestaltet wird darüber hinaus die Direktvermarktung für Anlagen in der Überschusseinspeisung. Der überschüssige Strom kann künftig einfach an das netzbetreibende Unternehmen weitergegeben werden. Dafür erhalten die Anlagenbetreibenden keine Vergütung, sparen sich aber die Kosten für die Direktvermarktung. Diese Regelung ist insbesondere für mittelgroße Anlagen mit einem hohen Eigenverbrauch attraktiv.
Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV hat sich u.a. mit einer Stellungnahme und durch die Teilnahme am zweiten Solargipfel in den Prozess eingebracht und wird sich auch weiterhin im Interesse der Energiegenossenschaften intensiv in den Gesetzgebungsprozess zum Solarpaket I einbringen. Der Fokus der politischen Arbeit der Bundesgeschäftsstelle und der genossenschaftlichen Regionalverbände wir dabei auf der schnellstmöglichen Umsetzung unseres Vorschlags zur Einführung von Energy Sharing in Deutschland, auf einer höheren Vergütung für Anlagen in der Überschusseinspeisung und auf der schnellstmöglichen Einführung einer bundesweiten echten Bürgerbeteiligung liegen.
Über die finalen Inhalte des Solarpakets I (und weitere energiepolitische Entwicklungen) können sich Energiegenossenschaften bzw. energieinteressierte Genossenschaften gerne bei unserem kostenlosen Webseminar am 19. Dezember, 17:00 – 18:30 Uhr, informieren.
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